Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Julianna WernItzer: Wege durch die lücken des unsichtbaren

und dem ungebrochenen Glauben an die Technik seinen eigenen Kampf aus, den Kampf um Leben und Tod. Der Roman beinhaltet längere Schilderungen und Kommentare des Autors, des Öfteren auch Erörterungen, die zahlrei­che wissenschaftliche Fragen aufwerfen. Er erlaubt uns beispielsweise einen Einblick in die Entstehung der Berge, als der Romanheld, indem er einen Stein in einen Höhlenteich aus einer „Basaltmasse in noch flüssigem Zustand“ wirft, dessen plötzliche Erhärtung zu Kristall hervorruft, und der Leser wird Zeuge des folgenden Schauspiels: „Innerhalb eines Augenblicks wuchsen neue Riesen aus dem Nichts, deren Schöpfer ich selbst war, zwei Meter breite, sechs­eckige Säulen, Reihen riesengroßer Orgelflöten, Liktorenbündel und mächtige Kristallgebilde, die zur Höhe drangen. Sie machten nicht vor der steinernen Decke der Höhle halt. Sie durchbrachen die Doleritmasse mit unvorstellbarer und unermeßlicher Kraft. Und infolge des furchtbaren Stoßes und der Reibung begann die ganze Doleritmenge, die der Basalt durchbrochen hatte, in einem seltsamen Abendrot zu erglühen, in einem Glanz, den auch die Basaltsäulen übernahmen. Sie waren durchscheinend, die ganze Höhle war wie in ein Feuermeer getaucht.“ (Jókai 73) Jókai lässt - mit dem Wunder der Entstehung der Natur - durch Urzeugung Leben auf der schwimmenden Insel entstehen und verwendet dazu die Technik des Zeitraffers. Ein ähnliches Ziel verfolgt er auch in seiner Erzählung Világteremtés [Weltschöpfung]20, die dem Roman gewissermaßen unmittelbar vorausging und in der er die Aufgabe der „Poesis" darin sieht, „das große Mysterium der Weltschöpfung” mit dem Wissen, dem Glauben und mit Hilfe der „Phantasia” zu beleuchten. Bis zum Nordpol! beinhaltet eine immense Masse an Angaben, die der Autor im Laufe seiner Romane Schwarze Diamanten und Der Roman des künftigen Jahrhunderts gesammelt hat. Im Werk Ransmayrs meldet sich die naturnahe begeisterte Stimme aus den zeitgenössischen Tagebüchern, so schreibt Weyprecht über die Natur: „Wer. die Natur wahrhaft bewundern, will, der beobachte sie in ihren Extremen. In den Tropen, in ihrer vollsten Pracht und Ueppigkeit, im strotzenden Sonntagskleide, über dessen Betrachtung man nur allzu leicht geneigt wird, den Kern zu übersehen - an den Polen in ihrer Nacktheit, die aber umso klarer und deutlicher den großartigen innern Bau her­vortreten läßt. () Nicht zerstreut und unbeeinflußt durch das Einzelne concentriert sich hier die Aufmerksamkeit auf die Naturkräfte selbst." (Ransmayr 107) Die Struktur von Jókais Roman entspricht im Wesentlichen auch dem Kanon des romantischen Reiseromans: Die Handlung schreitet linear voran, es erscheinen immer wieder neue Figuren (Tiere und Urmenschen), immer neue Hindernisse und Rätsel tauchen auf, die bald überwunden bzw. gelöst werden. So treiben die Wogen der Gattungsmerkmale die Tegetthoff und den Roman ins Unbekannte. Der postmoderne Aben­teuerroman Ransmayrs spielt die Fiktion und die dokumentierende Wirklichkeit gegeneinander aus. Die Positionierung 118

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