Varga Benedek szerk.: Orvostörténeti közlemények 145-146. (Budapest, 1994)

TANULMÁNYOK - ESSAYS - Vollmuth, Ralf: „Von den geschosszenen wunden". Die Behandlung von Schußwunden in deutschsprachigen chirurgischen Werken des 15. Jahrhunderts

zum Ausziehen mit einem Faden versehen und über Nacht in die Wunde eingebracht, wo er sich voll­saugt, aufquillt und den Wundkanal weitet. 48 Ausführlich geht Heinrich von Pfalzpaint auf die Behandlung von gestochenen oder geschossenen Wunden ein, wobei hier jedoch die Pfeilwunden im Vordergrund stehen: 49 Zunächst schildert Hein­rich die Suche nach Fremdkörpern in der Wunde sowie deren Entfernung bei „gestochenen" oder „geschossenen" Wunden. Hierzu empfiehlt er einen Messingdraht, der an beiden Enden mit Knöpfen versehen ist — also im modernen Sinne eine Knopfsonde —, in verschiedenen Größen. Hiermit sei die Wunde zu untersuchen, gegebenenfalls könnten damit auch Fremdkörper herausgehoben werden. Dar­über hinaus empfiehlt er zum Ausziehen kleine Zangen und Instrumente, die entfernt an scharfe Löffel erinnern: „Auch machstu solchs wol suche! von eissen machenn, vnnd die zceienn ader still alsso gros las­szenn, als ein spindein vorn, auch eins teils grossser vnnd knopjf daran gefeilt, ein wenig grossser dan ein boen, auch eins teils als gross als ein boen. vnd viele sie gegen den Stil breid, das sie schneiden, vnnd feil drei, vier ader fünf kerben gegenn einandern dorein. mith dem hebstu die kleine gelödt ader kugel hiraus, die von buchsenn hinein geschosssenn sein, vnnd auch was sunst in den wunden ist." 50 Aus dieser Textstelle, in der durch Schußwaffen bedingte Verletzungen eindeutig formuliert werden, ist zu schließen, daß sich ebenso die darauffolgenden Behandlungsmethoden für Pfeilwunden auch auf die Behandlung von Schußwunden beziehen. So empfiehlt Heinrich von Pfalzpaint, einen Docht bzw. eine Charpie (Meißel) — ,,wichen ader meissselnn von reinem flachs ader hanjf" 51 — herzustellen, mit Rosenöl zu tränken und in die Wunde einzubringen, jedoch nicht ganz bis zum Boden der Wunde. Dieser Docht soll drei Tage liegenbleiben und dann gegen einen um ein Drittel kürzeren, aber etwas dickeren Docht gewechselt werden. Dieser wiederum soll in der Wunde verbleiben, bis er beinahe ein­gewachsen ist, um dann wiederum gegen einen, um ein Drittel kürzeren, Docht ausgetauscht zu wer­den. Der Docht wird — abermals fast wieder eingewachsen — zuletzt gegen einen kurzen Werg-Knebel („nodtwergk") ausgetauscht, um die Wunde bis zum vollständigen Verheilen offenzuhalten. 52 Hierauf wird die Verletzung in gewohnter Manier gesalbt und gepflegt. Die von Heinrich beschriebenen Meißel bzw. Dochte haben — anders als etwa Speckmeißel bei Hieronymus Brunschwig 53 — wohl nicht die Aufgabe, die Wunde zum Eitern zu bringen, sondern es handelt sich vielmehr um eine Drainage, um den Abfluß von Wundsekret zu fördern und Serom- bzw. Hämatombildungen mit der Gefahr der Infek­tion zu verhindern. Hierfür spricht auch die Tatsache, daß Heinrich im darauffolgenden Kapitel im Grunde vom „meissseln ader wicken" abrät, ,,es wer dann, das ein gros beul nahe bei der wunden stunde, dorvnder ader dorvber ader darnebenn, vnnd wolt nicht auss schwern vnd die wunde wolt schir tzw heilen", 54 also in Fällen, in denen die Bildung von Seromen oder Hämatomen und eine Entzün­dung der Wunde vorprogrammiert scheint. Die Verwendung von Rosenöl (bei dem es sich nicht um echtes Rosenöl, d. h. ein Destillat, sondern vielmehr um einen Auszug auf der Basis eines anderen Öles als Extraktionsmittel handelt 55 ) erscheint ebenfalls sinnvoll: einerseits wird dadurch eine erhöhte Gleitfähigkeit des Hanfdochtes erreicht und so der mechanische Reiz auf die Wunde herabgesetzt; an­derseits enthalten die Rosenblüten an pharmakologisch wirksamen Substanzen Ätherisches Öl sowie insbesondere viel Gerbstoff, so daß möglicherweise (bei Vorliegen genügend hoher Konzentrationen 48 Pfalzpaint (1460), S. 150. Vgl., um noch ein weiteres Beispiel anzugeben, etwa auch das Kapitel über ein Zug­pflaster. S. 145f. 49 Pfalzpaint (1460), S. 59—68. Natürlich geht Heinrich von Pfalzpaint noch an anderen Stellen auf Pfeilwunden ein; so widmet er ihnen weiter oben drei eigene Kapitel (vgl. S. 7—8). Vgl. zur Chirurgie der Pfeilwunden bei Heinrich von Pfalzpaint auch Frölich (1874), S. 587—590, der die Verfahren ebenfalls zusammenfaßt. 50 Pfalzpaint (1460), S. 59-60, Zitat S. 60. 51 Pfalzpaint (1460), S. 60. 52 Pfalzpaint (1460), S. 60. 53 Brunschwig (1497), S. 57. Vgl. auch unten. 54 Pfalzpaint (1460), S. 61. 55 Vgl. unten die Anweisung zur Herstellung aus Baum- bzw. Leinöl.

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