Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 125-132. (Budapest, 1989-1990)

KISEBB KÖZLEMÉNYEK, ELŐADÁSOK - STUDIES, LECTURES - Völker, Arina: Ungarn 1686 im Bericht des Halleschen Militärwundarztes Johann Dietz (1665-1738)

Mit seiner Genesung hat Dietz Glück gehabt, denn die Ausfalle durch die Rote Ruhr waren erheblich. Vom „Sterben der Deutschen" sprach Dietz, als er die diesbezügüchen Kausalzusammenhänge in zeit­typischer Form zu rekonstruieren suchte: ,Es wurde bei der großen Hitze, die Tages in diesem Lande ist — des Nachtes aber sehr kalt, daher die meisten Krankheiten und das Sterben der Deutschen kommt, sonderlich wann sie bloß auf der Erde liegen und die kalten Dämpfe in 'n Leib dringen, welche die rote Ruhr mit dem jungen ungrischen Wein erregen — es wurde, sage ich, von der Hitze, von dem Braten und den aufgeschnittenen toten Körpern von Menschen und Pferden so ein Gestank und Gift, maßen alle Gassen im Lager vollagen, daß nie­mand bleiben konnte. Dahero die ungrischen Bauern und Tolpatschen gezwungen wurden, große Löcher zu graben und die Körper übereinanderzuwerfen und zuzuscharren." Die Erstürmung von Buda hat Dietz, der an diesen Kampfhandlungen nicht teilnahm und erst im Anschluß die eroberte Stadt betrat, von einem Höhenzug aus verfolgt: Jch war auf einem Berge . . und konnte alles eigentlich mitansehen. Sobald die ersten Gewehr los­gingen, da wurde Lärmen und ging alles über und über mit Stücken. Granaten und Steinwerfen, Schießen und Hauen; sogar die türkischen Weiber und Kinder, auch die Juden, derer viel darin waren, trugen zu und wehreten sich desperat auf der Bresche; also daß die Toten auf der selbigen über zwei Ellen übereinanderlagen. Es half aber nichts. Sie mußten daran glauben. Sie mochten nun sich wehren und schreien, wie sie wollten, die Stadt war erstiegen." Das volle Ausmaß des Grauens hat Dietz erst gesehen, als er die bereits eroberte Stadt betrat: ,JDa ward das Kind im Mutterleibe nicht geschomet. Alles, was angetroffen ward, mußte sterben. Wie ich denn mit Augen gesehen. .. daß Weiber dagelegen und die gelöseten Pistolen noch in der Hand haltend, teils bloße Säbel. So aber nackend ausgezogen, die Leiber mit Partisanen durchstochen, durch die Geburt; die Leiber aufgerissen, daß die noch nicht gebornen Kinder herausgefallen; welches mich am meisten gejammert. Nackete Kinder von ein bis zwei Jahren aufgespießet und an die Mauren geschmissen wurden! Ich bin erstaunet, was da ist vorgegangen, daß auch Menschen viel grausamer als Bestien gegeneinander sich bezeigeten." Johann Dietz wäre ein schlechter Zeitzeuge gewesen, hätte er sich auf die Schilderung von Kampfhandlungen und Eroberungen beschränkt. Als Arzt muß ihm die Kommunalhygiene und speziell die Balneologie in der gestürmten Stadt imponiert haben: ,JSonst ist noch merkwürdig, daß bei Ofen drei warme Bäder sind. Eines, das Kaiserbad, welches noch herrlich gebauet und nicht ruiniret. Aus einem Zapfen oder Hahn kommt kochsiedenheiß Wasser, in welchem man Eier kochen und Hühner abbrühen kann; der andere Zapfen aber eiskalt Wasser gibt. Welches den Türken sehr gelegen; maßen sie sich alle Tage baden, reinigen, die Haar an den pudendis, sowohl Mannes- als Weibespersonen abscheren müssen, nach ihrem Koran." Die nächstfolgenden Passagen der Dietzschen„Lebensbeichte" verdeutlichen, daß die Niederschrift privaten Charakters und nicht zur Kenntnisnahme durch die Allgemeinheit vorgesehen war. Wenn Dietz dabei nämlich Wertungen über die großen Religionen trifft und die Vorrangstellung des Christentums — oder besser: der Christen — in Zweifel zieht, so hätte ihm kein Verleger die Zeilen in dieser Form abgenommen; im pietistischen Halle hätte er sich zudem schweren Ärger eingehandelt: Jch muß sagen, daß die Türken in ihrer Religion besser als teils Christen sein... wo sie Wasser finden, waschen sie sich und beten zu Gott ... Sie trinken keinen Wein, sondern Met und Wasser; und wo je einer Wein heimlich trinket, und es gewahr wird, er öffentlich gepeitschet wird. Der Diebstahl wird hart bestraft. Und mag einer so viel Weiber nehmen, als er ernähren kann; kann er sie aber nicht ernähren und wird geklaget, muß er ihr einen Scheidebrief und Geld geben, sie frei- und loslassen." Auch für das Leben der im Krieg als Söldner auf beiden Seiten dienenden ungarischen Zigeuner (der „Tartern") scheint sich Dietz interessiert zu haben. Seine Aufzeichnungen enthalten diesbezüglich eine längere Passage: ,JTaben ihre eigenen Priester, lassen sich taufen, wann sie erwaschsen, und zwar in den Flüssen, da sie dreimal nieder getauchet werden. Ihre Trauung ist ebenfalls sonderlich, maßen Vater und Mutter oder die nächsten Freunde die Braut dem Bräutigam zuführen, wann sie vorher in einem Fluß ganz nackend gebadet und mit Zweigen oder Blumen bestreuet und beschenket ist. Sie halten unter sich ein streng Gericht und fackeln nicht lange, den Kopf herunter zu hauen oder totzuschießen. Wie ich denn selbst gesehen, daß sie einsmals unter sich uneins wurden, Feuer in ihrer Schanze angezündet und bei großem

Next

/
Thumbnails
Contents