Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 83-84. (Budapest, 1978)
LECTURIS SALUTEM - Antall József: Semmelweis betegsége és halála (magyar és német nyelven)
SEMMELWEIS' KRANKHEIT UND TOD* — EINLEITUNG ZUR DISKUSSION ÜBER DIE VERÖFFENTLICHTE WIENER KRANKENGESCHICHTE — JÓZSEF ANTALL 1. Ein jedes Detail des Lebens und Werks von Ignác Semmelweis (1818—1865) kann unsere Aufmerksamkeit mit Recht beanspruchen und eben die Forscher dürfen kein einzigesDetail davon außer Acht lassen. Es handelt sich ja um eine der großen Gestalten der allgemeinen Medizingeschichte, um die bekannteste Gelehrtenpersönlichkeit aus der Vergangenheit der ungarischen Medizin. Die „Semmelweis-Forschung" ist sozusagen ein selbständiger Zweig der Medizingeschichte in Österreich und Ungarn geworden. Während der vergangenen hundert Jahre befaßten sich zahlreiche Bücher, Aufsätze, belletristische Werke und Filme mit Semmelweis' Leben und Werk. Seine Persönlichkeit und Lebensgeschichte ist vorzüglich geeignet, gewisse dramatische Spannungen darzustellen — manchmal auch zu übertreiben. Es scheint kein Zufall zu sein, daß auch unter den Großen der Wissenschaftsgeschichte nur wenige eine solche Anziehungskraft ausüben konnten, wie eben Semmelweis, der Held und Märtyrer der Wissenschaft, in dem besonders psychopathische Kommentatoren und Biographen oft auch einen „geistigen Verwandten" oder ein „Vorbild" entdeckten. Es ist gar nicht leicht, das konventionelle Bild von Semmelweis zu reinigen und ein realistisches, geschichtlich wie wissenschaftsgeschichtlich authentisches Porträt zu schaffen, wenn er einmal in der „Para-Literatur" als ein romantischer Vertreter solcher Wahrheiten oder im voraus konzipierten Lehrsätzen dargestellt ist, welche ihm nur zugeschrieben werden können. Vergebens sind grundlegende Monographien, neue Quellen erschließende Aufsätze und andere Veröffentlichungen in den vergangenen Jahrzehnten erschienen, die falschen Charakterzüge der früheren Semmelweis-Bilder werden von einer jeden neu ausbrechenden Diskussion, von jedem neu auftauchenden Meinungsunterschied wieder an die Oberfläche gebracht. Die krankhafte Neigung von ungebetenen und laienhaften Fürsprechern zur Neubearbeitung desselben Themas wird von Semmelweis, diesem großen Humanisten, hervorragenden Arzt und ausgezeichneten Entdecker, dessen Wahrheit an und für sich der größten Anerkennung würdig ist, immer wieder erweckt. Nun wollen wir nicht auf die bereits geklärten Fragen des Semmelweisschen Lebenswerks eingehen, da sie teils in den erschienenen Monographien, teils auf den Spalten dieser Zeitschrift bekannt gegeben sind. Die einzige Aufgabe dieser Einleitung besteht *Diese Einleitung enthält teils die bei der Eröffnung der Diskussion gehaltene Rede, teils die seit damals erschienenen wichtigsten prinzipiellen Stellungnahmen von Dr. Antall.