Körmöczi Katalin szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 3 - Vom Ende der Türkenkriege bis zur Millenniumsfeier - Die Geschichte Ungrans im 18.-19. Jahrhundert (Budapest, 1997)
SAAL 14. Dulden, Ausgleich und Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Katalin Körmöczi - Edit Haider)
SAAL 14 Dulden, Ausgleich und Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Kraft des ungarischen Selbstverteidigungskampfes wurde von der das Habsburgerreich unterstützenden internationalen Übermacht gebrochen. Es folgten Retorsionen, die auch die europäische Öffentlichkeit zum Protest bewogen, und der Ausbau des zentralisierten Willkürsystems. Sándor Petőfi wurde für tot erklärt, Graf Lajos Batthyány hingerichtet, und Lajos Kossuth sowie eine ganze Reihe von Revolutionsteilnehmern emigrierten. Graf István Széchenyi meditierte hinter den Mauern der Döblinger Nervenheilanstalt, Ferenc Deák, der sich selbst nach Kehida zurückgezogen hatte, empfahl der Nation den passiven Widerstand, während die Versuche der altkonservativen Aristokratie, die ungarische Verfassung wiederherzustellen, ergebnislos blieben. Der Konkurs des Neoabsolutismus stellte sich am Ende des Jahrzehntes heraus, wie sich am Oktoberdiplom von 1860 und an der Einberufung des Landtages für 1861 zeigte. Es begannen sich die europäischen, österreichischen und ungarischen Kraftlinien eines Ausgleiches abzuzeichnen. Der Schlußabschnitt des in der ungarischen Geschichte des 19. Jahrhunderts für die bürgerliche Umgestaltung und die nationale Unabhängigkeit geführten Kampfes ging 1867 zuende. Die Ideale der Reformzeit sowie die Errungenschaften aus der Revolution und dem Freiheitskampf erhielten im österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 eine in Gesetzen niedergelegte verfassungsmäßige Form. Die staatsrechtliche Stellung Ungarns im Rahmen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie betrachtete ein großer Teil der Zeitgenossen als eine Variante von 1848, allerdings realisiert durch Zugeständnisse auf Kosten der Selbstbestimmung. Die Wirtschaftskarte Europas zeigt zu dieser Zeit eine Wechselwirkung ungleich entwickelter Gebiete und hinsichtlich unseres Raumes eine nachteilige Arbeitsteilung und bedeutende Zeitverschiebung. Die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts einsetzende Entwicklung - die in der Reformzeit neue Kräfte mobilisierte und nach den bürgerlichen Errungenschaften von 1848 dann 1867 sanktioniert wurde - schuf eine sich im Rahmen eines einheitlicher werdenden mitteleuropäischen Reichsmarktes schwungvoll entwickelnde Nationalwirtschaft. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert ging die industrielle Revolution vor sich, und auch in Ungarn kam es zu Erfolgen, die den Gipfel der technischen Entwicklung darstellten. Dieser Saal enthält die Zeugnisse der Jahrzehnte des Neoabsolutismus und des Dualismus. Sein Thema Dulden, Ausgleich und Aufschwung zeigt sich in einer relativ bruchlosen wirtschaftlichen, bürgerlich geprägten Entwicklungslinie und in einem gesellschaftlichen Panorama, das die Politik der Emigration und der Altkonservativen zu Hause, den passiven Widerstand Deáks und des Gemeinadels sowie später die Vorbereitung des Ausgleichs in ihrem Verhältnis zu 1848-1849, das sozusagen als Ordnungsprinzip der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelten kann, sowie zum 1867er Ausgleich behandelt. Die von der Objektgruppe in der Mittellinie des Saales, den Prachtgewändern der 1867er Krönung, gleich weit entfernten drei Schreibtische sollen drei politische Grundpositionen zum Ausdruck bringen: Kossuths Schreibtisch vertritt die den Ausgleich ablehnende politische Emigration, das ausgleichsbereite aristokratische und gemeinadlige Lager in der Heimat zeigt der den 1848er Zustand vertretende Schreibtisch Deáks, während der Schreibtisch des