Kalicz Nánor: Früchneolitische Siedlungsfunde aus Südwestungarn. (Inventaria Praehistorica Hungariae 4; Budapest, 1990)

EINLEITUNG - III. SIEDLUNGSGESCHICHTE

tenlehm mit Astabdrücken, die zu Oberflächenkon­137 struktionen gehört haben dürften. D. GaraSanin hält die in Starcevo aufgedeckten Objekte selbst 1984 noch für Wohngruben. 138 Ähnlich bewertet B. Stalio die unterste, in die Starcevo-Kultur gehörende Gru­bensiedlung von Vinca. Aufgrund des Sitautionspla­nes vermutet er in Vinca ein aus Wohngruben, Vorratsgruben und sonstigen Gruben bestehendes Siedlungssystem. 139 J. Petrovic hält die in Golokut freigelegten, unregelmäßig geformten Objekte mit un­gleichem Boden ebenfalls für Wohngruben, die ich selbst nicht für Wohnstätten halte, schon weil bei den Grabungen die Reste von an die Oberfläche gebauten Häusern gefunden worden waren. 140 Auch bei den zweiten Grabungen am Eisernen Tor geistert die Theorie von der Wohngrube herum, obwohl auch dort in den Siedlungen der Starcevo-Kultur die Reste von an die Oberfläche gebauten Häusern gefunden wurden. 141 Die einstige Existenz von auf der Erdoberfläche errichteten Häusern hatte man auf dem ganzen Gebiete der Starcevo-Kultur bereits früher vermutet, vor allem in den südlichsten Gebieten. Wegen der vielen durchgebrannten Hüttenlehmfragmente mit Astabdrücken und der mit Hüttenlehmfragmenten be­deckten ausgebrannten Flächen, war und ist die For­schung der Meinung, daß es in den Siedlungen der Starcevo-Kultur auf die Erdoberfläche gebaute Häuser gegeben haben muß. Unter anderen können Obrez, Kozluk, Divostin, Crnokalacka bara erwähnt werden, wo Reste von auf die Erdoberfläche gebauten Häusern zum Vorschein kamen. 142 Im syrmischen Fundort Zlatara erwähnt der Ausgrabungsleiter zahlreiche Bauten, leider ohne genauere Beschreibung, unter ihnen Häuser mit Abmessungen von 7x4 m, eine S teinverarbeitungsWerkstatt, und einen Ofen für das Brennen von Gefäßen(!). Mangels gründlicherer Kenntnisse halte ich die Schätzung des Autors auf 60 Baueinheiten, unter ihnen die Wohnhäuser, für über­trieben. 143 Leider fand man auch im Zuge umfangrei­cherer Erschließungen am bosnischen Fundort Obre I keine Überreste der Bauten der Starcevo-Kultur. Nur in den in die III. (Protokakanj) Phase gehörenden Schichten beobachtete A. Benac kleine (Kleinfami­lien-) rechteckige Hausfundamente. Seiner Meinung nach setzten diese auf die Wende des Früh- und des Mittelneolithikums datierbaren Häuser die früheren lokalen Bautraditionen von Starcevo unverändert fort. 144 Ohne auf die Erdoberfläche gebaute Häuser hätte sich übrigens auch die tellartige Schichtung nicht anhäufen können. Im Süden beobachtete M. Gimbutas in den Schichten Anza II-III die Spuren eines Hauses mit Pfostenkonstruktion und Lehmwänden, das verglichen mit den früheren, auf Steinfundamente gebauten Häusern des Fundortes eine wesentliche Änderung be­deutete. 145 Anza gehört bereits in die Gegend der frühneolithischen Tellsiedlungen und auch in den Starcevo-Schichten kamen die Eigenarten der Tell­siedlungen zur Geltung. Die in Anza gemachten Be­obachtungen lassen sich nicht auf das ganze Verbrei­tungsgebiet der Starcevo-Kultur verallgemeinem, da die Siedlungen der Starcevo-Kultur — von wenigen Ausnahmen abgesehen — nicht tellartig sind. Die neueren, umfangreicheren Grabungen haben auch auf dem Gebiet der Körös-Kultur, an meh­reren Orten ausgebrannte Überreste von auf die Erd­oberfläche gebauten Kleinfamilienhäusem ans Tageslicht gebracht. Ungeachtet der vormaligen Be­obachtungen in Hódmezővásárhely, denke ich in erster Linie an den Fundort von Szajol, Tiszajenő, Szanda, Endrôd (Nr. 39), an das Nosza-Gyöngy-Ufer und LudaS-Budzak. 146 All diese Beobachtungen stimmen mit dem Fragment des in Röszke gefundenen Hausmodells überein. 47 In Rumänien sind in Verbija und in der Moldau ebenfalls Überreste ähnlicher Kleinfamilienhäuser mit Strohlehm- und Pfostenkon­struktion aufgedeckt worden. 14 Es stimmt, daß die geographischen Verhältnisse der Körös-Kultur in der Tiefebene auf dem ganzen Verbreitungsgebiet relativ einheitlich sind, und daher ist es nicht überraschend, daß der einheitliche Charak­ter auch in der Bauweise zum Ausdruck kommt. Dagegen verbreitete sich die Starcevo-Kultur in einem sehr abwechslungsreichen, orographischen Gebiet, wo das Volk angefangen von den Fluß- und Bachtälern zwischen den großen Gebirgen bis zur Ebene in allen möglichen geographischen Verhältnis­sen seine Existenzbedingungen vorfand. Man könnte es sich vorstellen, daß in den Gegenden mit abwechs­lungsreicher Umwelt auch die Bauweise abwechs­lungsreicher war, als im Flachland. Die lückenhaften Angaben berichten aber auch im Bergland von Häusern mit aufsteigenden Lehmwänden und Holzge­rüst (z.B. am erwähnten Fundort Golokut). Daher erheben sich berechtigte Zweifel, ob die im Süden des Banats, im Innern Serbiens und anderswo beobachte­ten „Grubenhäuser" ohne/oder mit Feuerstellen, wirk­149 lieh Wohngruben waren? Aufgrund indirekter Angaben bin ich auch selbst der Ansicht, daß im Falle umfangreicherer, re­gelmäßiger Erschließungen auch auf dem Gebiete der Starcevo-Kultur mit dem Erscheinen von Überresten von auf die Erdoberfläche gebauten Häusern zu rechnen ist. Die südosteuropäischen, frühneolithischen nah­rungsproduzierenden Gemeinschaften vom Ägäis bis Ungarn und bis in die Moldau haben Kleinfamilien­häuser mit steilen Wänden gebaut. Bezüglich dieser grundlegenden Tatsache besteht kein Unterschied zwischen den einzelnen Kulturen, ob man die Kö­rös-, die Starcevo-, die Cri§-, die Karanovo-, die Anzabegovo oder selbst die Protosesklo-kultur unter­sucht. In der Grundfläche, im Baumaterial und in der Konstruktion kann es lokale Abweichungen geben, die Grundzüge sind jedoch einheitlich. Daher erwarte ich keinen wesentlichen Unterschied zwischen den vermuteten Bauten der Starcevo-Kultur und den bereits gefundenen Häusern der Körös-Kultur. Die bekannt gewordenen Überreste von Häusern lassen

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