Korek József: Die Theiß-Kultur in der mittleren und nördlichen Theißgegend. (Inventaria Praehistorica Hungariae 3; Budapest, 1989)

József KOREK: Die Theiß-Kultur in der mittleren und nördlichen Theißgegend - 1. Die Forschungsgeschichte der Theiß-Kultur

1. DIE FORSCHUNGSGESCHICHTE DER THEIß-KULTUR In Ungarn wurde die Erforschung der Jungsteinzeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gang ge­setzt. Das 1802 gegründete Ungarische Nationalmuseum ermöglichte, das bislang in Privatsammlungen befindliche archäologische Material für die Nation anzubieten. An­fangs bestanden diese nur aus den gefälligeren bronze­zeitlichen Gefäßen, römischen Stein de nkmälern, völker­wanderungszeitlichen Gegenständen, im allgemeinen aus unversehrten Altertümern. Die Phantasie der Sammler wurde aus dem bescheidenen Material der Steinzeit bloß von den Steinbeilen, als greifbaren Beweisen des Zeit­alters angeregt. Die aus ihrem Milieu herausgegriffenen Geräte waren aber zur Bekanntmachung der Jungstein­zeit nicht geeignet und man konnte die Bestimmung der Entwicklungslinie höchstens nur mit typologischen Ver­gleichen versuchen. In Ungarn war vor allem das Ver­dienst von Flóris Römer, daß er die Aufmerksamkeit auf das Einsammeln der über den Begriff der Schätze hinauswachsenden, die Lebenserscheinungen begleiten­den alltäglichen Gebrauchsgegenstände richtete. Seine begeisterte organisierende Arbeit führte zu einer großan­gelegten gesellschaftlichen Bewegung aus dem Zwecke, um die archäologischen Funde des Landes zu erkennen und einzusammeln. Es wurden archäologisch-historische Gesellschaften ins Leben gerufen, die zugleich auch den Grund zu je einem Museum legten. Als Ergebnis der organisierenden und bearbeitenden Tätigkeiten von Flóris Römer, Ferenc Pulszky und József Hampel ge­langte das ungarische Quellenmaterial in den Kreislauf der damaligen Wissenschaft. Der 1876 in Budapest veranstaltete Internationale Prähistorische und Anthropologische Kongreß hatte über die Schätzung der ungarischen Archäologie hinaus auch den Aufschwung der Forschung zur Folge. Die systema­tische Forschung der Jungsteinzeit wurde in zwei Zent­ren begonnen. In Siebenbürgen, wo durch die Samm­lungen und Ausgrabungen von Zsófia Torma in Tordos (Turdas) und Erosd die wichtigsten Fragen der mittel­europäischen Jungsteinzeit und Kupferzeit aufwerfende Funde ans Tageslicht kamen. Dem in die Sammlungen früh hineingelangten siebenbürgischen Quellenmaterial — der Vinca-Kultur — vor allem aus Tordos und Nändor­vállya, 1 wurde in der Fachliteratur kein entsprechendes Gewicht beigelegt. Der Grund hierfür liegt vor allem daran, daß sein Großteü als Streufund zu betrachten ist und aus der ersten Phase der Forschung stammt. Nach der Publikation der Funde der später durchgeführten Kontrollausgrabungen fiel diesem Material nur mehr eine wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung zu. 2 Viel erfolgreicher kann das zweite Zentrum im Komitat Tolna durch die Ausgrabung von Mór Wosinsky zu Lengyel bezeichnet werden. 3 Die systematische Ver­öffentlichung der erschlossenen Funde in fremder Sprache gab Gelegenheit dazu, daß die Siedlung und das Gräberfeld von Lengyel zu einem europäischen ver­gleichenden Quellenmaterial wurde. Die ersten Funde der Theiß-Kultur kamen in das Museum aus der im Komitat Szolnok eingeholten Samm­lung von Ede Tariczky und es ist wahrscheinlich, daß wir in den aus Tiszaörvény stammenden und auf dem Kongreß des Jahres 1876 ausgestellten Funden die ersten Denkmäler der in die Theiß-Kultur reihbaren Siedlung sehen können. 4 Der Fundort Csóka (Coka)-Kremenyák kommt in der archäologischen Literatur zuerst 1880 vor. 5 Gyula Dudás, Endre Orosz, Kálmán Gubicza und vor allem Ferenc Móra führten zwischen 1907-1913 achtmal großangelegte Erschließungen durch und so wurde Csóka einer der meist zitierten Fundorte der Theiß-Kultur. 6 Die Ausgrabung von Csóka durch Ferenc Móra stellt die erste systematische Forschung im Gebiet der Theiß­Kultur dar. Die etwa 3000 m 2 große Fläche ist auch heute noch eine der größten. Móra gab über diese Arbeit eine einzige kurze Zusammenfassung und führte die in den Gräbern zum Vorschein gekommenen Knochen­ringe vor. 7 Schade, daß die Ausgrabung von Móra, die in ihrer Zeit sowohl die Erschließungsmethode, wie auch die Flächengröße betrachtet, nach Vinca das bedeu­tendste Quellenmaterial Mitteleuropas zur Folge hatte, in Ermangelung einer entsprechenden Publikation unbe­kannt geblieben ist. Die spätere Mitteüung sollte eine Ehrenerweisung für diese bedeutendste Ausgrabung von Ferenc Móra sein. Durch die musterhafte Bearbeitung durch János Banner wurde Csóka eine lebende Quelle der Neolithforschung. 8 Vom Mündungsgebiet zwischen der Theiß und des Körösflusses (Tiszazug) kamen größtenteils nur Streu­funde in die Museen. Diese erhielten erst dann eine Be­deutung, als Nándor Kalicz durch systematische Gelände­begehung die Aufmerksamkeit auf die siedlungsge­schichtlichen Charakteristika der Gegend, auf ihre ge­mischte Bevölkerung richtete und die Denkmäler in das mittlere Neolithikum reihte. 9 Noch Ende des vorigen Jahrhunderts holte der Apotheker Sándor Farkas aus Szegvár-Tűzköves ein reiches Fundmaterial ein, das er dem Ungarischen Nationalmuseum schenkte. 10 Auch diese Stücke trugen dazu bei, daß P. Reinecke innerhalb der ungarischen Steinzeit zu einer feineren Klassifizierung heranging, unsere Steinzeit in den sich auf ein weites Gebiet er­streckenden Kreis der Bandkeramik einreihte und die

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