Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

Von den ersten christlichen Jahrhunderten an und das ganze Mittelalter hindurch war das am häufigsten verwendete Wort dafür calix, es hatte seine lokale Ent­sprechung in allen Nationalsprachen, das ungarische Wort kehely stammt vom deutschen Wort Kelch. Beim Material des Kelches gibt es fast zahllose Vari­anten, vom glatten Holzkelch an kamen im Laufe der Jahrhunderte Exemplare aus Bein, Edelstein, Glas, Kri­stall, Kupfer, Bronze, Eisen, Zinn, Silber und Gold vor. Seit dem 9. Jh. musste der Kelch unabhängig vom Mate­rial immer der strengen Vorschrift entsprechen, dass das Innere der Kuppa, das unmittelbar mit dem heiligen Blut in Berührung kam, vergoldet ist (BRAUN 1932, 39-41). Selbstverständlich entstanden im Laufe der Jahrhunder­te verschiedene Vorschriften, nach denen gewisse Mate­rialien verboten oder wieder zugelassen wurden. Später finden sich kupferne und bronzene Gefäße in großer Zahl, das Nationalmuseum besitzt einen einzigen Kelch aus Serpentin (Nr. 52). Aus Zinn wurden Kelche vom 17. Jh. an hauptsächlich in Siebenbürgen verfertigt, doch gibt es keine davon im Nationalmuseum, in der Sammlung mit­telalterlicher Goldschmiedewerke. Seltener und selbst­verständlich viel kostbarer waren die Silberkelche, und bei besonderen Anlässen erhielten die größeren Dome auch goldene Prunkkelche (in der Sammlung des Musé­ums gibt es ein einziges frühes Exemplar, Nr. 56). Aus Gold wurden Kelche seltener verfertigt, da dieses kost­bare Material allzu stark der Abnutzung ausgesetzt ist. Technik Bei der Herstellung von Kelchen wurden fast alle im Mittelalter bekannten Techniken verwendet. Natürlich wurden die einzelnen Teile des Kelches von Hand mit dem Hammer getrieben, Kuppa und Fuß gesondert, der Nodus gewöhnlich aus zwei Teilen, die in der Mitte zu­sammengelötet wurden. Auf Kelchen des 15. Jh. finden sich oft gegossene Elemente, z.B. Heiligenstatuetten (Nyári-Kelch, Nr. 25). Die Fußkanten, die bei den mei­sten gotischen Kelchen um den Fuß des Kelches mit Maßwerk oder geometrischer Verzierung liefen, wurden ebenfalls gegossen: kleine, bogige Elemente wurden dem Bogen der Fußpässe entsprechend an deren Treffpunk­ten zusammengelötet. Auch die Elemente einiger schö­ner sog. Kapellenkränze auf dem Nodus wurden gegos­sen: die Fialen, die Bögen der kleinen Fenster und die Statuetten der in den Nischen stehenden Heiligen oder Engel jeweils gesondert (Nr. 9 bzw. Nr. 25), und zum Schluss wurden die winzigen Elemente zusammengelö­tet. Auf vielen Kelchen finden sich gegossene Teile mit Blattranken oder Blumen, die gesondert befestigt waren, z.B. auf dem Fuß und Nodus des Kelches von Poprád (Nr. 30), auf dem Nodus des Kelches von Nagyenyed (Nr. 36) und auf dem Kelch Nr. 37. Eine beliebte Verzierung bilden die spanförmigen Blätter auf der Kuppa wie auch auf dem Fuß des Kel­ches; das schönste Stück dieser Art ist der Ernuszt-Kelch (Nr. 31 ). Am Fuß und auf der Kuppa der filigranverzierten Kelche befinden sich ebenfalls Blättchen beim Ansatz von Platten und Pässen (Nr. 37, 38 und 47). Die Gravierung wurde mit Vorliebe auf fast allen ver­zierten Kelchen verwendet. Natürlich sind die Figuren von Heiligen am schönsten: der Kelch von Felsőszalók aus dem 14. Jh. mit der hl. Jungfrau und St. Johannes dem Evangelisten (Nr. 4); St. Georg, St. Nikolaus, St. Katharina, St. Barbara, St. Antonius der Eremit, St. Jo­hannes der Täufer, die hl. Jungfrau und St. Johannes auf dem Kelch von Vizakna (Nr. 5); St. Petrus und Paulus, St. Ladislaus, St. Johannes der Täufer, St. Barbara und St. Margarete, die Madonna mit dem Jesuskind auf dem Kelch von Torna (Nr. 9); auf den Platten des Nyári-Kel­ches St. Stephan, König von Ungarn, und St. Emmerich, die Eremiten St. Antonius und Paulus; am Fuß St. Ladis­laus, auf dem Kuppakorb die Heiligen Dorothea, Barba­ra und Katharina (Nr. 25); lieblich-naiv gezeichnete Hei­lige sind auf einem Kelch des 16. Jh. (Nr. 51) zu sehen. Gleichfalls beliebte Elemente sind Pflanzen- und geo­metrische Muster (Nr. 54,65). Auch Strahlenkränze wur­den auf Kelche des späten 15. Jh. graviert (Nr. 14, 23), und natürlich die Inschriften der Kelche: entweder Evan­gelienzitate (Nr. 9, 55, 56.58,59, 60, 61,62,64.65) oder ein Teil des Englischen Grußes (Nr. 22), ein auf die Schen­kung hinweisender Text (Nr. 27,48, 51 ), Heiligennamen und auf Schaftringen die Namen von Maria und Jesus. Es gibt eine Reihe von Wappen auf dem Fuß oder der Kuppa: ein St. Barbara darstellendes Wappen (Nr. 9), das Nyári-Wappen (Nr. 25), unbekannte Wappen auf dem Kelch von Gyalakuta (Nr. 26 und Nr. 33), das Pálóczy­Ernuszt-Horváth-Wappen (Nr. 31), das Bakócz­Wappen (Nr. 44) und das Wappen der Familie Forgách (Nr. 48). Treibarbeit findet sich gleichfalls oft. Teilweise wurden Fuß und Kuppakorb des Kelches unmittelbar mit getriebenen, in erster Linie pflanzlichen Formen, Blättern, Blumen und Ranken verziert. Sehr schön ist die Lilienreihe des Kelches aus dem 14. Jh. (Nr. 2). Das Blasendekor der Frührenaissance-Kelche aus dem spä­ten 15. Jh. wurde getrieben, als halbkugelige (Nr. 33, 34) oder längliche Blasenreihen, die den Kuppakorb bedeckten (Nr. 35, 36). Vom 16. Jh. an erscheinen auf den Frührenaissance-Kelchen Engelköpfe, Fruchtbün­del (Nr. 49) und aus Bändern bestehende Verbindungs­elemente. Für das 17. Jh. sind in erster Linie die aus Mu­scheln gebildeten kunstvollen Rahmen typisch, die Sze­nen oder Heiligenbilder umfassen (Nr. 59, 63).

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