Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)
DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE
DIE LITURGIE UND IHRE GEGENSTANDE Das Wort Liturgie stammt vom griechischen leitourgia, das Dienst am Volk bedeutet. Im Alten Testament wurde darunter der priesterliche Dienst im Bundeszelt verstanden. Im Neuen Testament ist „die heilige Liturgie der öffentliche Gottesdienst des geheimnisvollen Leibes Jesu Christi, des Hauptes und der Glieder" (Liturgikus lexikon 2001, 112-113). Diesen Gottesdienst vollzieht die Gemeinschaft der Gläubigen zusammen mit den kirchlichen Amtsträgern verschiedenen Ranges, mit den Priestern. Der Schauplatz der Liturgie befindet sich immer in kirchlichen Institutionen, in Kirchen, Kapellen, Wallfahrtsorten und Klöstern, anläßlich der Austeilung der Sakramente, sonntags und an den größeren Festen des Kirchenjahres. Selbstverständlich weichen die Feste der verschiedenen christlichen Kirchen oft voneinander ab, entweder hinsichtlich ihres Zeitpunktes (wegen der Zeitrechnung der Ostkirche) oder ihrer Wichtigkeit: Alle Kirchen haben neben den gemeinsamen Festen ihre eigenen, hervorgehobenen Feste, ihre - im Vergleich zu den anderen - besonders verehrten Heiligen. Es gibt je nach Kirche und Zeitalter auch Abweichungen in der liturgischen Sprache. In der Westkirche dominierte die lateinische Sprache in den Zeremonien als Manifestation der Führungsrolle Roms bis zum 20. Jh. Eine der wichtigsten Neuerungen der Reformation war der Gebrauch der Nationalsprache; der vollständige Text der in der Liturgie verwendeten Bibel wurde in kurzer Zeit auch ins Ungarische übersetzt. Interessanterweise finden sich auf zahlreichen protestantischen Goldschmiedearbeiten trotzdem lateinische Texte. In der Ostkirche blieb die griechische und später die slawische Sprache in Gebrauch. Das ist auch an den liturgischen Gegenständen erkennbar: die Texte auf ihnen wurden dementsprechend verfaßt. So finden sich neben den vielen ungarischen Inschriften auch lateinische, deutsche und slawische auf unseren Objekten. In der katholischen Gesamtkirche wurden die Nationalsprachen offiziell erst vom II. Vatikanischen Konzil (1962-65) angenommen (Liturgikus lexikon 2001, 121). Auf einem einzigen Deckelhumpen (Nr. 161) stehen hebräische Inschriften, dort wurden die dargestellten alttestamentlichen Szenen mit den Originaltexten versehen. Die Regeln der Liturgie wurden in den frühesten Jahrhunderten, vom 4. Jh. an, ständig von den Fachtheologen der Kirche formuliert. Die größte Umgestaltung geschah auf dem Tridenter Konzil, zwischen 1545 und 1563, als auch die große Erschütterung durch die Reformation die katholische Kirche dazu zwang, die Glaubenssätze neu zu definieren und die liturgischen Vorschriften erneut zu konzipieren. Danach entfaltete sich eine Bewegung zur Erneuerung der Liturgie am Ende des 19. Jh., die sich im frühen 20. Jh. fortsetzte (Liturgikus lexikon 2001, 124). Die größte Änderung und Zusammenfassung brachte das II. Vatikanische Konzil, dem seitdem ständig ergänzende Verordnungen folgen. Die Liturgie ist an sich nicht nur ein Sammelbegriff für bestimmte Texte und Handlungen, sondern ihre Teilnehmer, die die Zeremonien durchführenden Geistlichen, brauchen entsprechende Gegenstände, durch die Inhalt und Schönheit der Liturgie zum Ausdruck kommen können. Das wichtigste heilige Gefäß der Messe ist der Kelch, in welchem der Priester den Wein ins Blut Christi verwandelt. Er legte die in den Leib Christi verwandelte Hostie auf die Patene, die auch bei der Austeilung an die Gläubigen verwendet wird. Die in der Messe konsekrierten Hostien für die Kommunion oder Krankenbesuche wurden im Ziborium verwahrt und das in den Festmessen oder bei den Prozessionen besonderer Verehrung teilhaftig werdende Sakrament in der Monstranz ausgestellt. In der Messe wurden Wein und Wasser aus kleinen Meßkännchen in den Kelch gegossen. Auf den Altären standen Standkreuze und den aus der Kirche herausführenden Festprozessionen wurden Prozessionskreuze vorangetragen. Auf den Altären brannten die Kerzen auf Leuchtern. Bei der Taufe wurden Taufkannen und Taufbecken gebraucht, das geweihte Öl für die Austeilung des Tauf-, Firmungs- und