Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)
Einführung - Das mittelalterliche Bronzehandwerk in Ungarn
EINFUHRUNG Das mittelalterliche Bronzehandwerk in Ungarn Die frühesten mittelalterlichen Bronzegegenstände sind die in Friedhöfen des 10.-11. Jahrhunderts gefundenen byzantinischen Rcliquiar-Pektoralkreuze aus dem Heiligen Land. Nach Ungarn mögen sie teils durch die Missionstätigkeit der byzantinischen Kirche, teils aufgrund des durch Ungarn führenden Pilgerweges gelangt sein. Sie waren im Gebiet des ganzen Karpatenbeckens etwa gleichmäßig verbreitet und gelangten, wie sich aus den bekannten Fundumständen folgern läßt, nach dem Ende des 11. Jahrhunderts nicht mehr in die Gräber. Im 11. Jahrhundert treten jene einfachen - keine Reliquien enthaltenden - kleinen Bronzekreuze in Erscheinung, deren Form unmißverständlich zeigt, daß sie nach dem Vorbild der Reliquiare aus dem Heiligen Land entstanden. In Veszprém kam sogar ein Kreuz zum Vorschein, auf dem sich über Christi Haupt das kleine Kruzifix und neben seinen Händen und unter seinen Füßen die Relief-Brustbilder befinden (in der Sammlung des Veszprémer Museums). Der zumeist ziemlich primitiv geformte Relief-Korpus folgt aber nicht mehr den Darstellungen Christi im Colobium auf den Reliquiaren aus dem Heiligen Land, sondern dem westlichen, dem Lenden tuchtyp. Unter den etwa dreißig im Landesgebiet gefundenen Kreuzen finden sich mehrere einander derart ähnliche Exemplare, daß man sie unbedingt für Erzeugnisse gemeinsamer Werkstätten halten muß. Vorerst lassen sich zwei Gruppen - bestehend aus fünf bzw. vier Stück - absondern, die eine bilden in Transdanubien, die andere östlich der Theiß gefundene Kreuze. Die kleinen bronzenen Pektoralkreuze wurden wahrscheinlich an vielen Orten des Landes hergestellt, in Werkstätten bei Klöstern oder in der Umgebung von Gespansburgen. Bisher wurden drei kleine Bronzeschmelzöfen aus dem 11.-12. Jahrhundert freigelegt, die sich für die Herstellung ähnlicher Gegenstände hätten eignen können, einer im Gebiet des Königs- und Erzbischofssitzes Gran (Esztergom), im einstigen vermutlich von den Goldschmieden und Münzprägern bewohnten - Dorf Kovácsi (HORVÁTH 1979, 178179), und die anderen beiden in einer zur Gespansburg Visegrád gehörenden Siedlung und in Feldebrö, in unmittelbarer Nachbarschaft der romanischen Kirche (KOVALOVSZKI 1994-95, 225-254.). Aus dem anderen Provinzialgebiet der byzantinischen Kunst, aus der Kiewer Rus, kamen ebenfalls ReliquiarPektoralkreuze des 11.-13. Jahrhunderts nach Ungarn, ein Teil von ihnen wurde in Friedhöfen und zwei im in die Erde vergrabenen Schatzfund von Dunaszentmiklós gefunden. Nach ihrem Vorbild in Ungarn hergestellte Kreuze sind allerdings bisher noch nicht bekannt. Aus dem 11. Jahrhundert sind noch drei bronzene Zitationssiegel erhalten, zwei - in derselben Gußform hergestellte - königliche Siegel, von denen eines zur Sammlung des Nationalmuseums gehört und das andere im Besitz des Veszprémer Museums ist. Dieses Zitationssiegel Andreas' I. (1046-60) ist mit großer Wahrscheinlichkeit die aus Bronze gegossene vergoldete und mit Aufhängeöse versehene Kopie des großen Wachssiegels des Königs. Das dritte, eine die reliefartig geformte Gestalt des Erzengel St. Michael darstellende, runde, gegossene Bronzeplakette, hält die Fachliteratur aufgrund seiner Form für das Zitationssiegel des Kapitels des St. Michael geweihten Veszprémer Domes. Ihrem Charakter zufolge sind die königlichen Zitationssiegel wahrscheinlich von den am Hofe tätigen Siegelschneidern, vielleicht von den Goldschmieden der Graner königlichen Münze hergestellt worden. Die Prozessionskreuze des 12.-13. Jahrhunderts entstanden in Klosterwerkstätten, ebenso wie in dieser