KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

auch im Kreise arabischer und orientalischer Philosophen nicht allein. Kirchenväter, wie der hl. Ambrosius in seiner Homilie über Luk. Kap. 6 (im 5. Kap. der Homilie), betrachteten die „Achtheit" ebenfalls als eine Grundzahl des Weltalls und als ein Symbol für den Besitz der Gottheit. Ambrosius schreibt : „Quatuor tan tum beatitudines sanctus Lucas Dominicas posuit, octo vero sanctus Matthaeus ; sed in illis octo istae quatuor sunt, et in quatuor istis illae octo. Hic enim quatuor velut virtutes amplexus est cardinales ; ille in illis octo mysticum numerum reseravit. Pro octava enim multi inscribuntur Psalmi, et mandatum accipis octo illis partem dare, fortasse benedictionibus. Sicut enim spei nostrae octava perfectio est, ita octava summa virtutum est." Dass die Toten, bzw. die Geisterwelt mit der Zahlenmystik und mit der Musik im Zusam­menhange stehen, dies bringt sogar noch Abra­ham ä Sta Clara zum Ausdruck, wenn nach ihm die Toten in Musiktönen um Erbarmung flehen, nämlich : „mi-se-re-mi-ni" .. . Aber die pseudo-aristotelische und pythagoreische Musik­theorie dachte in vollem Ernst auf diese über­weltlichen Zusammenhänge der Musiktheorie des Altertums. 1 Und wenn die Gestalt des Teu­fels-Todes im „Missal of Bishop Leofric" zu Oxford mit einem Zahlenkubus auftrat 2 und wenn auf dem mächtigen Kreuzbilde des Evangeliars der Nonnenoberin Uta aus St. Emmeram der Sieg Christi über den Tod mit den Zahlenver­hältnissen der Musik zum Ausdruck gebracht wurde, so machte sich in diesen Tatsachen vor allem eine griechisch-römische, im allgemeinen eine romanische Tradition geltend ! Diese roma­nische Tradition der Zusammenhänge zwischen Zahlenmystik, Musik und Planetenwelt lebt aber schon in den ersten Denkmälern deutscher Dich­tung. Der letzte Teil der dem „Wessobrunner Gebet" vorangehenden Notizen in der Hschr. der Münchener Staatsbibl. Cod. lat. Mon. 22053 (vor den Seiten 65b —66a, wo sich das Gebet befindet) beschäftigt sich mit Gegenständen der arithmetischen Wissenschaft, besonders mit der Zeitrechnung. Und da fiel es demjenigen, der diese Notizen schrieb, plötzlich ein, dass er „De poeta", d. h. in der Bearbeitung eines Poeten ein kleines Gedichtlein kenne, welches mit der Schilderung der Schöpfung beginne. Die Schöp­fung geriet also hier schon in einen Zusammen­hang mit der Zahlenwissenschaft. Aber wir ha­ben sichere Zeugnisse für die Tatsache, dass die pythagoreische Zahlenwissenschaft von fah­renden Schülern, Mimen und Sängern besungen wurde. Unter den sog. „Cambridger Liedern" be­finden sich sogar zwei lateinische Lieder, welche über Zahlenmystik und Musikwissenschaft sin­1 Vgl. Carl Stumpf, Die pseudo-aristotelischen Probleme über Musik. 1897, im III. Heft der Abhandlun­gen der Akad. der Wiss. in Berlin. 1896. Philos.-histor. Klasse. 2 GTT Bd. 1. S. 163b. 3 Vgl. Unwerth-Siebs, a. a. 0. S. 95. gen. 3 In dem bedeutsamen Werke von Paul von Winterfeld „Deutsche Dichter des lateini­schen Mittelalters" 4 wird uns in der wertvollen Abhandlung „Der Mimus im Mittelalter" eine lange Reihe von Angaben mitgeteilt, die für die Richtigkeit der Auffassung Winterfelds über die grosse Bedeutung der klassisch-antiken Mimen in der Frage nach einer permanenten klassi­schen Tradition in den ersten Jahrhunderten mittelalterlichen Geisteslebens unterstützen soll­ten. Im antiken Volksdrama, dem Mimus, er­kannte Winterfeld den in verborgenen Tiefen rauschenden Lebensquell der mittelalterlichen Dichtung, soweit sie volkstümlich ist. 0 Winter­feld „sah es .. . mit seiner poetischen Phantasie, . . . wie die antiken Mimen, die einst die ganze Welt erfüllten von Babylon bis London und von Paris bis Alexandria, im Mittelalter, nachdem alle Theater der Welt in Schutt gesunken wa­ren, wieder zu dem wurden, was sie einst und ursprünglich gewesen, zu Jongleuren, und als mimi et joculatores die ganze mittelalterliche Welt durchwanderten und dort weiter ihre uralte Kunst übten". Diese Ansicht Winterfelds hat viel Widerspruch erweckt, doch möchte ich auf ein Zeugnis hinweisen, welches auch Winter­feld eingehend behandelt 6 und welches uns je­nen Zusammenhang klarlegt, der zwischen den Mimen und der Zahlenmystik als eine welt­anschauliche Begründung und Vorbedingung des mittelalterlichen Todes- und Toten-Tanz­Motivs besteht. Winterfeld wehrt sich in seiner Abhandlung über die Bedeutung der Mimen gegen jede Annahme, welche in den Fällen der Erzählungen im Kreise der Cambridger Lieder und der Schwänke Notkers des Stammlers eine „Einwanderung aus dem Orient" als die einzig mögliche Quelle dieser poetischen Stoffe Erklä­ren möchte. 7 Nach Winterfeld ist das in den Cambridger Liedern bearbeitete stoffliche Mate­rial auch aus einer permanenten antik-klassi­schen Tradition leicht verständlich, — somit wären freilich die weltanschaulichen Grundlagen des mittelalterlichen Todes- und Toten-Tanzes ebenfalls ein von den Mimen in Europa ver­breitetes klassisches Erbe. Winterfeld beruft sich vor allem auf eine Stelle bei Sextus Amarcius, s nach welcher ein mi­mus oder iocator seinen Herrn, der auf seiner Reise Rast machen will und zu seiner Unterhaltung einen Spielmann herbeiwünscht, mit Begleitung auf seiner Laute, — die er in einem Lederfutteral mit sich führt, — vier Lieder vorträgt, u. zw. ein Lied über David und Goliath, eins vom „Schnee­kind", weiter ein Gedicht über die Tonkunst des Pythagoras und endlich ein Lied über die Nach­tigall. Das Lied über die Tonkunst des Pythago­ras steht als 24-stes Stück unter den „Cambrid­ger Liedern", welche Philipp Joffe in dem zweiten 4 Hg. von Hermann Reich, München, Beck, 1913. 5 Vgl. Winterleld, a. a. 0. Reichs Einleitung S. 63, Zitat aus der Studie Reichs über Winterfeld. 6 Vgl. 490-491. 7 Winterfeld. a. a. 0. S. 488. 8 I. 403-443.

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