KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
ZWEITER TEIL. Entstehungsgeschichte der Grundmotive des Totentanzes
„Es finde sich bei dir niemand, der den Wahrsager befragt und auf Träume und Vorbedeutungen acht hat ; . . . . der den Toten die Wahrheit erfragen will." steht es in V.Buch Mos. 18, 10—11. Eine merkwürdige Erzählung des Alten Testaments bestätigt dieses strenge Verbot jedes „Totenzaubers." Saul lässt durch eine Zauberin den Geist Samuels von der Unterwelt heraufbeschwören, der ihm seinen Tod und den Untergang seiner ganzen Familie durch die Philistäer prophezeit. Diese Szene soll hier vollständig mitgeteilt werden, um dem werten Leser einen Einblick in die Form der orientalischen „Totenzauber" zu gewähren und diese Szene schon als eine Urform der Legende von den Lebenden und Toten zu betrachten : I.Kön. 28. - 20. — (7.) Da sprach Saut zu seinen Dienern : Suchet mir ein Weib, das einen Wahrsagegeist hat, so will ich zu ihr hingehen, und durch sie fragen. Seine Diener sprachen zu ihm : In Endor ist ein Weib, das ..einen Wahrsagegeist hat. (8.) Da veränderte er sein Äusseres, zog andere Kleider an, und ging mit zwei Männern hin. Und sie kamen des Nachts zu dem Weibe, und er sprach zu ihr : Sage mir die Zukunft voraus durch den Wahrsagegeist und rufe mir herauf, wen ich dir bezeichnen werde. (9.) Das Weib sprach zu ihm : Siehe, du weisst, was Saul getan, wie er die Zauberer und Wahrsager aus dem Lande ausgerottet hat ; warum trachtest du mir also nach dem Leben, dass ich getötet werde ? (10.) Da schwur Saul ihr bei dem Herrn, und sprach : So wahr der Herr lebt, es soll dir darum nichts Böses geschehen! (11.) Nun sprach das Weib zu ihm : Wen soll ich dir heraufrufen ? Er sprach : Samuel rufe mir herauf ! (12.) Als aber das Weib Samuel sah, schrie sie mit lauter Stimme, und sprach zu Saul : Warum hast du mich hintergangen ? Du bist ja Saul. (13.) Der König sprach zu ihr : Fürchte dich nicht ! Was hast du gesehen ? Und das Weib sprach zu Saul: Jemanden wie einen Gott sah ich aus der Erde heraufkommen. (14.) Da sprach er zu ihr : Welches ist seine Gestalt ? Sie sprach : Ein alter Mann kommt herauf, und er ist in einen Mantel gehüllt. Da merkte Saul, dass es Samuel sei, und verneigte sich mit dem Angesichte bis zur Erde, und warf sich nieder. (15.) Samuel aber sprach zu Saul : Warum hast du mich beunruhigt, dass ich heraufgerufen ward ? Saul sprach : Ich bin sehr bedrängt ; denn die Philistäer kämpfen gegen mich, und Gott hat mich verlassen, und hat mich nicht erhören wollen, weder durch die Propheten, noch durch Traumgesichte ; darum liess ich dich rufen, dass du mir anzeigen mögest, was ich tun soll. (16.) Samuel sprach : Was fragst du mich, da der Herr dich verlassen, und sich deinem Mitwerber zugewendet hat? (17.) Denn der Herr wird tun, wie er durch mich geredet hat, und wird dein Königtum aus deiner Hand reissen, und deinem Nächsten, David, geben. (18.) Weil du der Stimme des Herrn nicht gehorcht, und seinen grimmigen Zorn an Amalek nicht vollstreckt hast : darum hat der Herr dir heute getan, was du leidest. (19.) Und der Herr wird auch Israel mit dir in die Hände der Philistäer geben ; morgen aber werdet ihr, du und deine Söhne, bei mir sein ; und zu dem wird der Herr das Lager Israels in die Hand der Philistäer geben. (20.) Da fiel Saul der Länge nach jäh zur Erde nieder ; denn er war über die Worte Samuels in grossen Schrecken geraten, auch war er ohne Kraft, denn er hatte jenen ganzen Tag hindurch nicht gegessen." Eine merkwürdige Begründung des Verbotes, warum die Toten über die Zukunft und ihr überirdisches Schicksal nicht zu befragen sind, findet sich in der Parabel des Reichen und des armen Lazarus im Neuen Testament (Luk. 16, 3l). Als der in der Hölle gepeinigte Reiche von Abraham verlangt, er möge den seligen Toten, Lazarus, in das Haus seiner Familie senden, damit er sie vom sündhaften Leben abschrecke, indem er sein Schicksal ihnen verkündet, sagt Abraham : „Wenn sie Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten aufersteht." Und tatsächlich erwähnt die hl. Schrifte nie, dass die durch Christus auferweckten Toten etwas von ihrem überirdischen Schicksal erzählt hätten. Die Erzählung des Evangelium Nicodemi ist auch als Apokryphschrift unter orientalischem Einfluss entstanden ; unter demselben Einfluss wird später die Höllenfahrt Pauli dargestellt und das Schicksal der Toten nach einer fiktiven Erzählung des von Christus auferweckten Lazarus. Dass man in den späteren christlichen Jahrhunderten von den fiktiv sprechenden Toten zur Darstellung jener Toten überging, die in Wirklichkeit nur deswegen wieder ins Leben zurückkehren, damit sie die Sünder dieser Welt ermahnen können, ist durch die selbstverständliche Reaktion der Kirche gegenüber der sehr verbreiteten Anschauung der soeben bekehrten heidnischen Völker, dass die Seele samt dem Körper nach dem Tod ins Nichts zergeht, erklärbar. 1 Schon auf der Grabschrift von Ausonius ist diese Vorstellung erkennbar : Der Mensch wird „cinis, ossa, nihil". Bei den Griechen und Römern wird dem „Aberglauben", dass die Seele des Toten nach dem Tod unter den „Manen" weiterlebt, die Anschauung gegenübergestellt, dass die Seele nach dem Tod ebenso im Universum, in der Luft aufgelöst wird, wie der Körper in der Erde. 2 Während sich Properz (IV, 7) noch damit tröstet, dass im Tode nicht alles in Verlor geht und der Mensch als Geist („Manes " noch weiter lebt : „Sunt aliquid Manes ; letum non omnia finit. Luridaque extinctos effugit umbra rogos, —" wird der Glaube an die Manen von Persius lächerlich gemacht : (Sat. V. 152) „Cinis et Manes et fabula fies." Das Weiterleben der Seele wird mehrmal als „Fabel" bezeichnet : z. B. vgl. Horaz : Oden I. 4, 16. : „Iam te premet nox fabulaeque Manes, Et domus exilis Plutonia." Die Vernichtung der Seele wird auch auf Grabschriften gepredigt : (Corp. Inscr. Lat., vol. III, Nr. 6384.) : „Invida Parcarum series livorque malignus Bis septena meae ruperunt stamina lucis. 1 Weber-Holländer : S. 24-25. 2 Tacitus : Julii Agricolae Vita, 46.