Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)

BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY

sein mag, wir können dem Talent und der künst­lerischen Ehrlichkeit Székelys nur die größte Hochachtung zollen, denn es findet sich kein einziges unter den Bildnissen, dem es an schöpferischer Phantasie oder an geistiger und emotioneller Zugabe als unmißverständliches Kennzeichen schöpferischer Genialität fehlen würde. Auf diese Beständigkeit und kontinuierliche Präsenz eines soliden künstlerischen Niveaus verweist György Bölöni in seinem in Aurora veröffentlichten Artikel: „... daß er Porträtmaler war, hat man vollkommen vergessen. Wenn wir ihn be­werten wollen und seine Unvergänglichkeit suchen, dann bekommen wir hier in einigen großartigen Porträts die Achse seiner Kunst ..." 83 Eben wegen dieser Unvergänglichkeit und Wertbeständigkeit erscheinen vielleicht in dieser Kunstgattung auch jene theoreti­schen Fragen in der klarsten und reinsten Form, die das gesamte Schaffen Székelys charakterisieren und die von Zeit zu Zeit in jeder Kunstgattung auf­tauchen. Bertalan Székely war ein philosophischer und tief empfindender Künstler. So konnte er in jedem Fall die Einheit des in seiner schöpferischen Arbeit immer vorhandenen Gegensatzpaares - in seiner Formulie­rung „Ideal" und „Real" genannt, in der Terminologie von János Arany „Idee und Wirklichkeit" - konsequent zur Geltung bringen. Verstand und Gefühl, Rationali­tät und instinktive Betrachtungsweise bilden bei ihm ein harmonisches Ganzes. Dadurch wird es möglich, daß auch das objektivste, rationellste, auf Bestellung angefertigte offizielle Bildnis über ein emotionelles Plus verfügt und andererseits auch das gefühlvollste Frauenbildnis noch in den Grenzen der Realität bleibt. Den Grund dafür nennt Székely in den Aufzeich­nungen seines Jugendtagebuches selbst: „... mit der Natur, vor allem, was die optische Wirkung betrifft, kann man nicht wetteifern - man muß den Ausdruck erfassen und nicht die Äußerlichkeit." 84 Das wiederum ist nur durch die Fähigkeit, das Wesentliche zu erken­nen, möglich, und das bewahrte die Porträtkunst Székelys vor der Oberflächlichkeit, der seichten Betrachtungsweise und den Gefahren einer übertriebe­nen Idealisierung. Über das Erkennen des Wesent­lichen schreibt er selbst in seiner Arbeit Prinzipien des figureilen Zeichnens und Malens, wobei er zwei wichtige Elemente für das Zeichnen eines Kopfmodells nach der Natur festlegt: „... der Charakter des lebenden Modells und die individuelle Auffassung des Zeichners. Als Charakter bezeichnen wir im allgemeinen die Summe der Merkmale und Eigenschaften, durch die sich ein Individuum von anderen Individuen seiner Art unter­scheidet ... Charakterisieren bedeutet also soviel, wie das, was individuell vom Allgemeinen abweicht, her­auszuheben und zu separieren ... Das Erfassen ist die geistige Funktion, die in der Lage ist, bei den beobachteten Objekten das Wesentliche vom Unwe­sentlichen, die Hauptsache von den Nebensäch­lichkeiten, die häufig vorkommende Erscheinung von der seltenen zu unterscheiden, zu trennen und von den beobachteten Eigenschaften die Regel abzulei­ten." 85 Das Erkennen des Wesentlichen ist in Székelys Kunst ein wichtiges Element der Rationalität, doch als philosophischer Denker macht er sich auch bewußt, welch große Rolle die spontane, instinktive Betrach­tungsweise, die Intuition beim Zustandekommen eines guten Werkes spielt. In den Aufzeichnungen seines Jugendtagebuches lesen wir dazu: „Ich habe einen ziemlich guten Kopf gemalt, während ich bei der Arbeit das Verstandeselement möglichst wenig zur Geltung kommen ließ und dem instinktiven Verstehen folgte." 86 Die Intuition, der Instinkt stehen dem Problem der Poesie der Schöpfung sehr nahe, zu deren Verteidigung Székely einen leidenschaftlichen Artikel in der Zeitschrift Koszorú schrieb: „... und es gibt das Bild, das Lichtbild, es kann auch Licht (oh! oh!) und auch Bild sein, aber sicher kein Kunstwerk, denn das kann nur der von der poetischen Inspiration durch­drungene künstlerische Geist schaffen." 87 Wegen der immer stärkeren Verbreitung des Fotografierens schreibt er in aufrichtiger Besorgnis vor allem über die Zukunft der Porträtmalerei und analysiert eingehend, wie ein gutes Bildnis und ein guter Künstler sein müssen, wobei er mehrmals wiederholt, daß der Apparat die schöpferische Betrachtungsweise des Künstlers nicht ersetzen kann. 88 Die objektive, rationelle Anschauungsweise und zugleich die Einbettung der Gefühle in ein hohes geistiges Denken machten Bertalan Székely zu einem der größten Porträtmaler seiner Zeit. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erreicht die ungarische Porträtmalerei gerade durch die Tätigkeit von Székely und seinen Zeitgenossen - Alajos Györgyi Giergl, Károly Lötz und Gyula Benczúr - ein höheres, auch nach europäischem Maßstab künstlerisches Niveau, und ausschlaggebend ist dabei das auf den Bildern wahrnehmbare geistige und emotionelle Plus. Die „Heldenzeit", die das Porträt bei der Herausbildung der nationalen Kunst spielte, geht zu Ende. Äußerlichkeiten bzw. der durch Äußerlichkeiten zum Ausdruck kommende Inhalt - gesellschaftlicher Rang, Berufung, Position - sind nur noch bei privaten und offiziellen Aufträgen wirklich wichtig. 89 Demgegenüber erhält der sich im Gesicht widerspiegelnde Charakter, die Darstellung der speziellen, nur für den Abgebildeten typische Persönlichkeit immer größere Betonung. Um all das möglichst überzeugend zum Ausdruck zu bringen, nutzt die Porträtmalerei eine breite Skala klassischer Vorbilder. Beim repräsentati­ven Bildnis - ebenso wie in der Praxis des Biedermeier und der klassizisierenden Romantik der ersten Hälfte des Jahrhunderts - verwendet man hauptsächlich Vorbilder aus der Renaissance und dem Barock, kom­positorische Mittel der Porträtmalerei von Tizian und Van Dyck. Beim Typ des Brustbildes, das sich nur auf das Gesicht konzentriert und die Äußerlichkeiten weg­läßt, so wie es von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an immer häufiger wird, ist eher die Übernahme der von Rembrandt und Reynolds vertretenden Betrach­tungsweise zu finden, die eine tiefergehende Dar­stellung des Menschen verlangt.

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