Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)

BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY

zeitliche Differenzierung nach sich, das heißt, mit in Wirklichkeit gleichzeitigen Ereignissen erweckt der Maler den Anschein von unterschiedlicher Zeit. Die Handlung, die sich im Hintergrund entfaltet, wird im Vordergrund als tragische Folgeerscheinung abge­schlossen. Diese Kompositionsweise bezeichnet Menyhért Palágyi als Symbolismus der räumlichen Verteilung. 49 Bei den europäischen Schlachtenbildern des 19. Jahrhunderts kommt die zweifache, manchmal gar dreifache Raumteilung häufig vor, und zwar teils um die Szene überschaubarer zu machen, teils um die Aussage dramatisch zu komprimieren. So können wir diese Raumaufteilung in mehrere Ebenen zum Beispiel bei dem Gemälde Hermannschlacht von Wilhelm Lindenschmidt beobachten: Im Vordergrund liegen die Toten, und unmittelbar dahinter setzt sich ohne raumteilende Motive die Schlacht fort, wodurch unter kompositorischem Gesichtspunkt ihre Bedeutung her­vorgehoben wird (Abb. 8). Das repräsentative Schlachtenbild Das Gefecht hei Salamis von Wilhelm Kaulbach baut ebenfalls auf dem Prinzip der Raumaufteilung in mehrere Ebenen auf. Im Vordergrund ertrinken die kaum noch wahrnehm­baren, ins Wasser stürzenden Krieger, im Mittelraum und im Hintergrund dagegen ist noch mit voller Stärke die Schlacht im Gange, so daß auch hier der Kampf das betonte Element ist. 50 (Abb. 9). Im Gegensatz zu diesen Bildern werden die Szenen auf Székelys Schlachtenbild von Mohács durch einen Land­schaftsstreifen zwischen dem Vorder- und dem Hintergrund geradezu voneinander getrennt, und nur das Kanonenrad und die Beine der gefallenen Türken bilden zwischen den beiden Sphären ein Verbindung­selement. Die Betonung der Komposition hat Székely auf den Vordergrund gelegt, wodurch er die morali­sche Erhabenheit des kollektiven Opfers für die Verteidigung des Vaterlandes zum Ausdruck bringt, was auch noch dadurch unterstrichen wird, daß Erzbischof Pál Tomori - rechts im Vordergrund ­gemeinsam mit den vielen namenlosen ungarischen Soldaten und Helden der Schlacht den Tod findet (Kat.-Nr.: 39). Als moralische Parabel kann auch die Kampfdar­stellung selbst dienen. Székelys Gemälde Frauen von Eger zeigt uns mit einer Szene aus den ungarischen Türkenkriegen einen derartigen heroischen Kampf. Die Verteidigung der Burg Eger zählt zu den häufig abgebildeten Schlachten aus der ungarischen Ge­schichte. Seit den 1850er Jahren sind die erbitterten Kämpfe um die Burgen Szolnok, Szigetvár, Nándor­fehérvár (heute Belgrad) und Buda wiederholt im Bild festgehalten worden. Die Belagerung der Burg Eger taucht auf der Lithographie Die Erstürmung Egers von Bálint Kiss auf, die der Künstler von seinem verloren gegangenen Ölgemälde ähnlichen Titels anfertigte und auf der er eine Szene aus dem Belagerungskampf darstellte. 51 Eine zeitgenössische Quelle für die Heldenhaftigkeit der Frauen von Eger ist uns nicht überliefert. Die Gestalt der Heldin, die sich den Türken widersetzt, als Frauentyp erscheint erstmals auf dem Kupferstich Die ungarische Amazone von Károly Kisfaludy. Das Bild wurde als Illustration im Taschenbuch Aurora 1825 veröffentlicht. 52 Székely wählte das Bildmotiv stets mit ungewöhn­licher Sorgfalt aus und suchte dabei nach einem möglichst wirkungsvollen Ausdruck seiner Aussage. Er gab auch selbst die Erklärung für die Motivwahl bei seinem Bild: „Vermutlich werden einige zur Sprache bringen, warum ich nicht auch den Burghauptmann Dobó unter den Burgverteidigern gemalt habe. Der Grund ist, daß ich ihn niemals als Held hätte malen können. Wenn man liest, daß die Belagerer 300.000 Mann waren und die Burgverteidiger 2.000 an der Zahl, dann ist die kleine Truppe der Burgbesatzung heldenhaft - auch Dobó -, aber diese zahlenmäßige Diskrepanz läßt sich nicht malen, Dobó ist nur im Kampf Mann gegen Mann zu malen, und so hätte er, geschützt durch die Burg, nicht wie ein Held ausgese­hen, hätte nicht, wie die Frauen, in die gute Richtung gewiesen ..." 55 Wenn den in der Übermacht angrei­fenden Türken auf dem Bild die Vertreter des „schwachen Geschlechts", die Frauen, gegenüberste­hen, dann ist der moralische Sieg noch größer als der tatsächliche, und auch die Aussichtslosigkeit des realen Kampfes läßt sich besser veranschaulichen. Székely hat diese Komposition am längsten reifen lassen. Das geht aus der Datierung der Skizzen hervor, auf denen wir auch die Veränderung der Konzeption gut verfolgen können. Zuerst plante Székely ein Bild in Querformat, dessen zentrale Figur eine Frau war, die einen Korb voll Steine von der Burgmauer schüttete. Diese Bildstruktur erscheint auf der 1856 entstande­nen ersten Skizze und auf der Zeichnung von 1857, die in das fugendtagebuch eingeklebt ist 54 (Abb. 10). Die kraftvolle, bewegte Komposition taucht auch auf dem 1854 von C. Verlat gemalten Bild Gottfried von Bouillon beim Angriff auf Jerusalem auf (Abb. 11). Ab 1860 er­folgte in Székelys Komposition eine wesentliche Änderung: sie erhält Längs format, eine diagonale Anordnung, und die zentrale Frauengestalt wird die in der Literatur erdichtete Heldin Katica Dobó. János Dobay schreibt die Veränderung dem Einfluß von Piloty zu, der ab 1860 Székelys Lehrer an der Münchener Akademie war. Einer Eintragung im Jugendtagebuch ist zu entnehmen, daß sich Piloty in die Komposition des Bildes einmischte: „Piloty sagt, die Hauptperson müsse wuthvoll hervortreten und nach dem Säbel greifen" 55 (Kat.-Nr. 57-63). Piloty war ein guter Lehrer, das hat auch Székely anerkannt, obwohl allgemein bekannt war, daß Piloty eine negative Meinung von der Malerei hatte: „Piloty ist kein Komponist und kein Zeichner, sein Charakter­gefühl ist schwach ... er ist ein Prosaist, der nach dem Model malt. Gerade diese Schwäche macht ihn für den Unterricht geeignet. Er erdrückt das Talent seiner Schüler nicht mit seinem Gewicht und seiner Persönlichkeit." 56 So ist es nicht wahrscheinlich, daß die Münchener Erinnerungen die sieben Jahre später vollendete endgültige Komposition Frauen von Eger beeinflußte. Eine Schlachtenszene von ähnlichem

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