Nagy Ildikó szerk.: Nagybánya művészete, Kiállítás a nagybányai művésztelep alapításának 100. évfordulója alkalmából (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1996/1)

Szabadi Judit: Ferenczy Károly pályaképe

tur, in der das Menschliche und die Natur auf solche Weise nebeneinander, ja sogar oft miteinander eng ver­bunden leben, daß dabei beide ihre Autonomie bewahren. Ein treffendes Beispiel dafür ist das Gemälde „Vogel­gesang", auf dem sich die einen Baumstamm umarmende, schwangere Frau in die von Geräuschen und Gesumme erfüllte, prächtige Vegetation des Waldes einschmiegt. In Nagybánya trafen sich Ferenczys künstlerische Vorstellungen und die Landschaft auf ähnliche Weise, wie dies bei Gauguin und Van Gogh der Fall war. Der eine wurde durch die Bretagne und der andere durch Arles bezaubert. Sie benötigten, im Unterschied zu den Impressionisten, in erster Linie kein Motiv, sondern eine seelische Inspiration, die durch die geographischen oder geologischen Gegebenheiten oder die uralten Traditionen einer bestimmten Landschaft übermittelt wurden. „Die Landschaft ist biblisch monumental" - schrieb Ferenczy über Nagybánya, kurz nachdem er dort ein­getroffen war. In den nachfolgenden Jahren malte er eine Reihe von Bildern mit biblischen Themen. Diese waren Die Bergpredigt, Die Heiligen Drei Könige, Joseph wird von seinen Brüdern verkauft, Das Opfer des Abraham, Pietà. Auf diesen, wie auch auf den zur glei­chen Zeit entstandenen Bildern mit profanen Themen (Abendstimmung mit Pferden, Maler und Modell im Wald) vergeistigen sich sowohl die Natur als auch der Mensch, während sie von einer Art innerer Erschüt­terung und sakraler Andacht erfasst w r erden. Offen­sichtlich geht es um mehr bzw. um etwas anderes als die rein optische Darstellung der Lichtverhältnisse. Ferenczy begnügte sich nie mit der Erfassung des momentanen Anblickes; dank seinem Vermögen, das Wesentliche zu erblicken, vermochte er, in einem einzigen winzigen Teil der Natur, die Natur selbst darzustellen. Dieser Behauptung scheint eine kurze Periode seiner künstlerischen Laufbahn (von 1902 bis 1906) zu wi­dersprechen. Zu dieser Zeit kam Ferenczy der natural­istischen Auffassung der Impressionisten, nach der diese die flüchtigen Eindrücke ohne jede Emotion fest­hielten, am nächsten. Seine zu dieser Zeit gemalten Bilder (Märzabend, Sommer, Malerin, Sonniger Vormit­tag, Oktober, Maifest, Meeresbucht mit Boot) sind tat­sächlich wie durch einen Zufall gewählte Ausschnitte aus der Natur mit grellem Sonnenschein, der die Lein­wand hell beleuchtet. Die Motive lösen sich aber im Licht nicht auf, sondern bewahren ihren objektiven Informationswert, während sie bunt und glänzend werden, wie sie auch die Anwesenheit und den Abdruck des Menschen an allem bewahren. Alldies führte in Ferenczys Kunst dazu, daß er selbst in den Augenblicken der kühnsten Lossage von der Form eine Malerei von klassischer Gültigkeit betrieb, in der der Anspruch auf Vollkommenheit sowie die Suche nach der aus dem Schönheitsideal von Goethe abzuleitenden „Formvollendung" fast immer zugegen war. Neben dem seinen Rationalismus und sein weltliches Wesen Lügen strafenden Mistizismus war die „Angestecktheit" von den klassischen Werten eine der verwirrendsten Merkmale seiner Kunst. Sie wurde oft sogar zu einem seine künstlerische Originalität ver­schleiernden Moment, da diese hartnäckige, wert­schaffende Absicht sämstliche Bewegungen des Malers begleitete. Ferenczy schuf sogar in der Periode, in der er die Technik in den Vordergrund stellte, so ein meis­terhaftes, in seelischem und philosophischem Sinne tiefsinniges Bild, wie das Gemälde Reitende Kinder (1905) von erschütternder Schönheit, wobei er den Menschen während seiner ganzen Laufbahn mit hinge­bungsvollem Interesse malte, sei es ein Portrait oder ein Akt gewesen. Nachdem Ferenczy aus Nagybánya wegkam, tauchten in seinem Lebenswerk auch typisch großstädtiche The­men auf: er malte Artisten und Ringkämpfer im Zirkus sowie Akrobaten im Orpheum. Seine Ausdruckweise änderte sich: die von Sonnenschein überfluchteten bzw. von einem geheimnisvoll mystischen Schatten ver­schleiterten, an Details reichen Bilder wurden durch eine die Evenmalität beseitigende, summierende Betrachtungs­weise abgelöst, die imstande war, die Formen einer deko­rativ organisierten Bildordnung zuzulenken. Während Ferenczy im Bann der Harmonisierung mit dem „Reinmalerischen" eine Reihe artistischer Stilleben malte (Porzellanpapageie, Blumen in grüner Vase, Ana­nas), hörte er nicht auf, Portraits anzufertigen. Die Bil­der Selbstporträt, Béni mit Bart, Doppelporträt und be­sonders das Dreierporträt tragen sämtliche Stilmerk­male der stilisierenden Formschaffung und der dekora­tiven Gesamtwirkung, ohne die menschlichen Inhalte zu beseitigen oder zu bagatellisieren. Den malerischen Höhepunkt der letzten Periode bil­dete das 1911 entstandene Dreierporträt, das nicht nur die Herauskristallisierung, sondern mehr oder weniger auch die Synthese des gesamten Lebenswerkes war. Auf diesem Bild gelang es dem Künstler, zwei ursprüg­liche Neigungen seiner Malerei: die lebensvolle Verge­genwärtigung der Wirklichkeit und die Umwandlung dieser Wirklichkeit in Richtung der Verklärtheit oder der Umästhetisiertheit, in ein vollkommenes Gleich­gewicht zu bringen. Er kreiste mit seinem Interesse stets über dem sinnlichen Anblick der Welt der Er­scheinungen und den unsichtbaren Geheimnissen des menschlichen Daseins, was einen durchschnittlichen Maler dazu bewegt hätte, sich endgültig für die eine oder die andere Richtung zu verpflichten. Károly Ferenczy hat in seinem Interesse und seiner malerischen Ausdruck­weise beide Impulse endgültig bewahrt, ja sogar aufein­ander abgestimmt, indem er am Wunschtraum der Volls­tändigkeit der Welt und der Darstellbarkeit derselben hartnäckig festhielt. Die Tatsache, daß er auf diesem Weg keinen Gefähr­ten hatte, wurde durch seine Verbundenheit mit Nagy­bánya bis heute verschleiert. Die mittlere Periode sein­er künstlerischen Tätigkeit entfiel gerade auf die Zeit seines Aufenthaltes in Nagybánya, wo er nicht nur inmitten der Gemeinschaft der Künstlerkolonie lebte, sondern auch ein Spiritus Rector der Gemeinschaft war. Seine Berufsgenossen verehrten ihn als ihren Meister, bemerkten jedoch nicht, daß man seinem Beispiel ­schon wegen der mehrfachen Verwurzeltheit und der

Next

/
Thumbnails
Contents