Jávor Anna szerk.: Enikő Buzási: Ádám Mányoki (1673–1757), Monographie und Oeuvrekatalog (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)
Vorwort
zu den letzten Bücherkäufen des damals bereits hochbetagten Malers gehörte. 32 Der bis jetzt behandelte beziehungsweise skizzierte Buchbestand macht drei Viertel des gesamten Nachlasses an Büchern aus. Etwa die Hälfte des restlichen Viertels von 60 Büchern ist eine Art anspruchsvoll ausgewählte „Haus-Literatur". Es gibt darunter einen Atlas, 33 eine beschreibende Geographie, 34 ein französisches Wörterbuch und eine lateinische Grammatik, 35 politische Publizistik und Geschichtsschreibung, 36 volkstümliche rechtswissenschaftliche und rhetorische Literatur, 37 einzelne Bände von wissenschaftlichen und enzyklopädischen Werken, 38 Jagdkunst, 39 „Handbücher" zur Wirtschaft und der Metallurgie 40 sowie zu verschiedenen Bereichen der Gartenund Hauswirtschaft, 41 Traktate über Sonnenuhren und schließlich Kalender. 42 Demgegenüber ist die Unterhaltungsliteratur beziehungsweise die „schöne Literatur" auffallend schwach repräsentiert. 43 Letztere Gattung ist in Mányokis Bibliothek nur durch Fontenelles „Hirtengedichte", und schließlich durch „Das verlorene Paradies" von Milton vertreten, es fragt sich allerdings, ob tatsächlich wegen des literarischen Wertes oder eher wegen des theologischen Gedankenguts des Epos. Wir haben die Behandlung der Kunstliteratur, der Werke, die sich auf den Malerberuf beziehen, bis zuletzt aufgehoben, und dies nicht ohne guten Grund. Gemessen an der Belesenheit Mányokis und seinem - man darf wohl sagen - bibliophilen Interesse ist die Zahl der Bücher beziehungsweise Veröffentlichungen zu Themen der bildenden Künste oder im Zusammenhang mit irgendeinem Bereich der Kunst auffallend gering. An theoretischen Werken finden sich im Verzeichnis nur zwei Titel: der eine, ohne Angabe des Autors angeführt, ist die 1736 in Amsterdam veröffentlichte französische Ausgabe der „L'idée du Peintre parfait" von André Félibien - als Fachbuch der Theorie der Malerei in Anbetracht der aktiven Schaffenszeit Mányokis eine auffallend späte Anschaffung -, der andere die deutsche Ubersetzung des Traktats „Der Mahler und Baumeister Perspectiv" von Andrea Pozzo aus dem Jahr 1711. 44 Im Nachlaßinventar sind außerdem noch zwei Stichausgaben des Augsburger Kupferstechers Johann Ulrich Krause im Folioformat unter den Büchern angeführt: die „Königl Franz. Tapezereyen..." von 1687 nach Vorlagen von Le Brun und die erste Ausgabe des „Biblischen Engel- und Kunst-Werck..." von 1694. 45 Bei Félibien und Pozzo erscheint die Wahl Mányokis ziemlich merkwürdig, wenn man bedenkt, daß in seiner Bibliothek weiter verbreitete und größeren fachlichen Nutzen versprechende „Nachschlagewerke" im Bereich der Kunst wie die „Teutsche Académie" von Joachim von Sandrart oder Cesare Ripas Arbeit fehlen, wie auch gar nichts zur Emblematik oder zur Ikonologie erwähnt ist. Noch merkwürdiger ist es aber, daß im Inventar kein einziges Exemplar von Hagedorns „Lettre..." erscheint, obwohl dieses kunsttheoretische Traktat 1755 veröffentlicht wurde. Über die berufliche Aktualität des Werkes hinaus hätten die persönlichen Beziehungen mit dem Autor sowie die Vorliebe des Kunstsammlers Hagedorn gegenüber Mányoki gleicherweise begründet, daß dieses Werk zur Bibliothek des Malers gehörte, desgleichen der Umstand, daß das Kapitel über Mányoki die einzige zeitgenössische Würdigung seiner Kunst darstellt. Die Gliederung der Bücher nach Sprachen ist ebenfalls aufschlußreich. Die französische Sprache, die im höfischen Umgang obligatorisch war, dürfte nicht nur nach seinen bekannten Briefen, 46 sondern auch nach der Zahl der französischen Bücher im Verzeichnis 47 das natürliche sprachliche Medium des Malers gewesen sein. Es ist aber eine Neuigkeit, daß er wahrscheinlich auch im Lateinischen versiert war, darauf weisen nicht nur seine lateinischen Bücher hin, 48 sondern auch die populäre „Lateinische Grammatik" des Professors Joachim Lange. Auffallend wenig Bücher finden sich in diesem reichen Material in Mányokis Muttersprache. An Ausgaben in ungarischer Sprache besaß er insgesamt nur ein Gebetbuch, eine 1730 in Amsterdam gedruckte ungarische Bibel, und eine kurze Ungarnchronik mit dem Titel „Rövid Magyar Krónika", gedruckt 1729 in Kaschau. 49 Dabei findet sich im Nachlaß kein einziges Stück von den publizistischen Schriften des Freiheitskampfes von 1703-1711, mit dem er doch als Hofmaler des Fürsten Rákóczi persönlich zu tun hatte, und auch kein einziges Werk des Fürsten selbst. Es gab nur zwei Bücher mit ungarischem Bezug in seiner Bibliothek, die Beschreibung Siebenbürgens von Georg Kreckwitz sowie die fragmentarisch gebliebene Literaturgeschichte des Michael Rotarides. 50 Die Quantität der Bücher Mányokis darf wohl im Vergleich zu den Sammlungen der Künstler-Zeitgenossen von Dresden als überdurchschnittlich bezeichnet werden. Als Anhaltspunkt dienen die wenigen Angaben, die Hagen Bächler in seinem Aufsatz über den Büchernachlaß Matthäus Daniel Pöppelmanns veröffentlichte. 51 Daraus geht hervor, daß der Architekt und „Oberlandbaumeister" Pöppelmann 86 Bücher besaß. Zur gleichen Zeit befanden sich im Nachlaß des Hofjuweliers Georg Christoph Dinglinger, eines der wohlhabenden und gebildeten Brüder Dinglinger, 394 Bände, in dem des Bildhauers August Bley, einer bescheideneren Existenz, der kein Hofkünstler war, 37 Bände. Mányokis Bibliothek ist also nicht nur durch ihre Zusammensetzung, sondern auch durch ihren Umfang bemerkenswert für seine Zeit, und die wahrscheinlich schon damals als Rarität geltenden Stücke aus dem 16. Jahrhundert 52 zeugen möglicherweise von seiner einstigen Wohlhabenheit. Dies wird vom letzten Teil des Inventars mit seinem persönlichen Habe weder ausgeschlossen noch bezeugt. Das Mobiliar, die Einrichtungs- und Gebrauchsgegenstände sowie das Tafelgeschirr weisen auf eine bescheidene finanzielle Lage hin. Nur die Textilien, die Gewänder und die Unterwäsche sowie die Menge der Haushaltswäsche und deren zuweilen fein anmutende Ausführung scheinen von besseren Zeiten zu zeugen. Die nachgelassenen Gegenstände liefern von einem Menschen nicht unbedingt ein vollkommen getreues Bild. Was der Manyoki-Nachlaß von seinem einstigen Besitzer verrät, zeigt eine sehr geschlossene, vom realen Leben kaum berührte Welt. Ob die auffällige Einseitigkeit seines Interesses für die Naturwissenschaften und das mystische Denken auch mehr bedeutete als die bekannte Vorliebe der Menschen seiner Zeit für die Mystik und den Okkultismus, werden wir wohl nie erfahren. Eins steht aber fest: Mányoki war bei all seiner Einseitigkeit ein gebildeter Mann, der sich für die Wissenschaften interessierte, der mehrere Sprachen beherrschte, Bücher liebte und auch für Raritäten keine Mittel scheute. Vor allem aber war er ein weitsichtiger Mann, der seine Interessengebiete völlig unabhängig von seinem Beruf ausbaute, also ein „Intellektueller" - vielleicht sogar in heutigem Sinne.