Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)
STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor
wahrnehmbare Namensänderung die Bereicherung des älteren Wappens bezweckte. Wenn es aber weder in der Aussprache noch in der damaligen Schreibweise eine Bedeutung hatte, dann muß die Änderung einzig schriftlich, und ausschließlich hinsichtlich der neugestalteten Signatur des jüngeren Dürer aktuell gewesen sein. Das Buchstabenpaar A D mußte auch in einer Sprache oder in einem Begriffskreis, wo D nicht gleichwertig mit T sein konnte, dem Monogramm Albrecht Dürers entsprechen. (Das Buchstabenpaar A 5 [d-Minuskel] hat dem zwar bereits entsprochen, aber zu seiner Zusammenfügung in endgültiger Form ist es nicht gekommen.) Gedanklich nachzuvollziehen lässt sich dies zwar nicht, aber nachzuweisen ist es im Prinzip möglich. Das ist wohl ein verborgener Sinn des auch sonst als verständlich erscheinenden Familienwappens. Darüber hinaus konnte auch das Wappen eine versteckte Devise oder einen bildlich-begrifflichen Hinweis enthalten haben. 80 Die geöffnete Tür (das Tor) ist in der mittelalterlichen Kunst ein Christus-Symbol; allgemein verwendet in der Architekturpraxis der Kathedralportale; vgl. D. Forstner: Die Welt der Symbole, Innsbruck-Wien 1961 (Neuauflage 1977), 34; H. Sachs-E. Badstübner-H. Neumann: Christliche Ikonographie in Stichworten. Leipzig 1980, 26; Magyar Katolikus Lexikon [Ungarisches Katholisches Lexikon], Budapest 2004 (2. Aufl.), I, 1 und IX, 485 (mit weiterer Literatur); nach der Liturgie der Urkirche haben sich die Leiter der Kirche am Gründonnerstag vor dem Portal der Kirche zu Boden geworfen, dann zogen sie, den Miserere-Psalm singend, in die Kirche, wobei sämtliche Tore geöffnet wurden. Dadurch brachte die Kirche den vollkommenen Erlaß der Sünden zum Ausdruck. 81 Dieses Detail beschwört die sich im weiten Horizont verlierenden, von Putten umrahmten Hintergrunddetails der frühen Dürer-Stiche zur mittelalterlichen Moralität und zu humanistischen Begriffen - diesmal ohne Horizont. In der Öffnung des Tors (der Tür) kommt in der wie unter der Lupe untersuchten Unendlichkeit verblüffend einfach, ohne Formfragmente einzig das immaterielle Licht zur Geltung. Hier, in der immateriellen inhaltlichen Mitte, in der Türöffnung, erscheint - gerade in einem Holzschnitt - irgendetwas, das nicht einmal umschrieben, wohl aber, mehr als experimental, „umzeichnet" werden kann das Leuchten selbst. Die heraldische arma nähert sich somit eher einem Signum. Das Unfassbare wird durch die Detaillierung seiner materiellen Wirklichkeit und in der Mitte der Form untergebracht. Damit hat der Künstler die heraldischen Regeln überlistet. Während das vollständige Wappen von seiner Gattung her der Vorstellung eines Turniers entsprechen musste, öffnen sich auf diesem Dürerschen Blatt Dreiberg, Treppen und Türschwelle - die zurückgelassenen Hindernisse in Raum und Zeit vor dem Tor (die von der Heraldik ausgeschlossen sind) -, genauso die Tür mit den geöffneten Flügeln (und dem beinahe veristischen Flügclpaar um den morulus, den Mohrenknaben) auch bildlich in das immaterielle Dasein. 82 Siehe Anm. 71, 72, 73. In dem zuerst 1984 in Band 4 von Memoria Saeculorum Hungáriáé veröffentlichten Aufsatz „Signum Crucis - Lignum Crucis" von Eva Kovács (In der Debatte zwischen Josef Deér und P. E. Schramm - letzterer vertrat die Meinung, der Globus auf den byzantinischen Münzen habe keine wirkliche lnsignien-Rolle gespielt - argumentierte Deér unter anderem mit den ungarischen Sicgelbildern und dem diesen folgenden Reichsapfel der AnjouKönige (im Fall von Ungarn) für das Gegenteil. Deér, J.: Der Globus des spätrömischen und des byzantinischen Kaisers. Symbol oder Insigne? Byzantinische Zeitschrift, 54, 1961, 53-58, 291-318.) Sie fügte noch hinzu: Die westeuropäische Herrschersymbolik war von Elementen byzantinischen Ursprungs durchwoben. Neben dem ungarischen königlichen Wappen zeigen auch die Siegel der deutschen Kaiser und der englischen Könige ähnliche Züge. Während aber aus letzteren diese Eigenarten bald verschwanden, ist das ungarische Doppelkreuz bestehen geblieben. Es ist als Bildtradition erhalten geblieben, wobei seine ursprüngliche Bedeutung völlig in Vergessenheit geraten ist. Vgl. in demselben Aufsatz von E. Kovács, in: Kovács 1998. - Wir können dem hinzufügen, daß diese Tradition im 15. Jahrhundert nicht nur in Ungarn, sondern auch in Polen lebendig war. Der ältere Dürer, der Goldschmied, konnte es noch kennen, und wie wir noch sehen werden, genauso auch Veit Stoß. 83 Die inhaltliche Erweiterung des väterlichen Wappens und dessen endgültige Fassung im Holzschnitt führte Dürer Ende des Jahres 1523 aus. Ein Jahr später ist [in Rom] die Eröffnung des festlichen Tores, der porta aurea, des Jubeljahres 1525 aktuell geworden. Statt einer größeren Medaille, die schließlich erst zu dessen Zumauerung erschienen ist, schuf man eine Silberprägung: die geschlossene Tür mit den Figuren der Apostelfürsten Petrus und Paulus zu beiden Seiten und darunter mit der Inschrift IUSTI INTRA/RUNT IN EAM („Die Gerechten sind durch sie hindurchgegangen"). Das ist eine altertümlichere, mehr hierarchische Darstellung des „Türhütertums" als das Dürerwappen, und obwohl die Medaille später als der Nürnberger Holzschnitt entstanden ist, könnte sie dessen Gegenbeispiel sein. Das Bild und dessen genaue Angaben siehe in: Kunst der Reformationszeit, Altes Museum, Berlin, Ausstellungskatalog. Berlin 1983, 147, B. 106; vgl. auch S. Armand: Les medailleurs italiens, Paris, 1883-1887, Bd. II, 165. Auf die Frage des Dürerschen Familienwappens und der Signatur des jüngeren Dürer kommen wir später noch zurück. 84 Die Beobachtungen und Bemerkungen von Fritz Koreny aus dem Jahr 1982 siehe in: Veit Stoß. Die Vorträge des Nürnberger Symposions. München 1985 (im weiteren Stoß-Symposion 1985), 160-164: Er hebt die Verwandtschaft mit dem Volckamer-Ölberg hervor und neigt - unter Berufung auf Daun - dazu, den Stich wegen Motivübernahmen durch Paul von Leutschau um 1508 zu datieren. 85 Aus Jean-Baptist Rietstap: Armorial Generale, Gouda 1884 werden der Deichselschnitt (Nr. 45) und dessen Umkehrung, der Göpelschnitt zitiert, in: Neubecker 1977, 93. 86 Neubecker 1977, 89. Diese Umdrehung des Schildes war bei Aufbahrungen und Trauerfesten üblich. Stoß schuf dieses Blatt in gedrückter Stimmung und in einer tragischen Lebenslage. Ob die Heilige Familie mit der umgedrehten Schildform davon etwas zum Ausdruck bringt, läßt sich kaum nachweisen, vielleicht aber auch nicht ganz ausschließen. 87 Neubecker 1977, 234: „Grundsätzlich soll das heraldisch stehende Wappen, das im Normalfall das des Partners, in Ehen also das des Mannes ist, dem Wappen des anderen Partners aus »courtoisie« zugewandt sein..." 88 A. Dürer, Der Aufenthalt in Ägypten (Blatt 15 der Holzschnittfolge), B. 1808, 90. - Seit Flechsig 1928 ist bekannt, daß dieses Blatt ursprünglich nicht zum Marienleben gehörte und früher ausgeführt wurde. Es wird heute allgemein auf 1502 datiert, ist also früher als die Heilige Familie von Stoß entstanden. 89 Neubecker 1977, 88-89. 90 J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, IV, 1949, 7571-7588: „Gitter" und „Gatter", siehe auch daselbst 1502-1511. - beruft sich auf Siebmacher-Gritzner: Wappenbuch, Einleitungsband, abt. B. 1890, 39: „gotter (bedeutet) standhaftigkeit; siehe Schumacher, teutsche Wapcnkunst 1694, 61." 91 J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, IV, 1949, 757 Iff. 92 Zinne (pinna, pinnaculum, minae = Spitze, Rand, Brustwehr.) Vgl. J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, XV, 1956, 1445-1446. 93 J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, I, 1854, 1680ff. Abt. 5. 94 Daselbst. 95 E. Kirschbaum (hg.): Lexikon der Christlichen Ikonographie, VII, 1994, 217, 221. 96 Nach grundlegenden Artikeln von Jos. De Coo, Charles de Tolnay und anderen C. Hahn: Joseph Will Perfect, Mary Enlighten and Jesus Save Thee, The Holy Family as Marriage Model in the Merode Triptych, The Art Bulletin LXVIII (1986), 54ff. mit der grundlegenden Literatur. 97 Der „Stock", „rod" ist das primäre Attribut des heiligen Joseph, hier vielleicht eher „Maßstab" (Einheit der Elle), aber es könnte auch das Zeichen der Abstammung aus dem Hause David - das Synonym von baculum, fustis, ferula, seipio und seeptrum, d.h. deren gegenständliche Entsprechung sein. Auf dem Merode-Altar wurde unter dem Instrumentarium des hl. Joseph, der dort Mäusefallen fabriziert, diesem Arbeitsmittel im Vordergrund eine hervoreghobene Stelle zugewiesen. 98 J. und W. Grimm: Deutsches Wörterbuch, XIV/2, 1860, 283: „mit doppelt gebogenem griff, auch trauben, - brustbohrcr, vgl. vindling; terebellum; mhd. winellbohr; - windclkerr, zu windel; - von Jesus (Luther, 22, 885. Weim); - zu windel, Wickelkind". 99 Daselbst. 100 Als eine Voraussetzung des Stichs der Heiligen Familie von Stoß kann ganz eindeutig ein Heftchen von Thomas Fremperger angesehen werden, das in Köln bei Ludwig Renchen erschienen ist: História translationis Tunice Jesu Christi de Hungária ad indita/m/ Civitate/m/ Coloniensem ad monasterium Albarum dominarum ubi tarn ab incolis [...] extraneis incredibili honore venerantur. Das Hemdchen, ein Kopie des einstigen Originals, wurde nach einer Vision des Hofkaplans von König Béla IV. von Ungarn (t 1270) nach Köln überfuhrt, nachdem der linke Ärmel noch in Buda abgeschnitten worden war. Diese Sendung ist am Rhein in Vergessenheit geraten, bis sich 1412 herausgestellt hatte, daß der abgeschnittene linke Ärmel in Buda, im Kloster der Dominikanerinnen auf der Haseninsel noch immer vorhanden war. Auf diese Weise ist das Kölner Hemdchen Ziel von Pilgerfahrten geworden. Fremperger - 1474 Hofkaplan Friedrichs III., danach Maximilians I. sah die Reliquie in Köln, nachdem er das Ärmelstück bereits 1456 in Buda bei den Dominikanerinnen besichtigt hatte. Siehe L. Némethy: A gyermek Jézus köntöskéje [Das Hemdchen des Jesuskindes], Magyar Sion, 1901, 356-371 und 458-473 (er datiert das Heft auf 1485/89); E. Thoemmes: Die Wallfahrten der Ungarn an den Rhein. Aachen 1937, 74, Taf. VIII; A. Zubriczky: A gyermek Jézus köntöskéje hittudományi