Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)

STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor

früheren Datierung - vorangegangen sein. Noch früher sind die Figurenalpha­bete des Meisters E.S. oder des Meisters des Alphabets von 1466 (München) entstanden und davor noch italienische, böhmische oder französische Motiv­Vorlagen, die ihn angeregt haben könnten, vgl. S. Wurst: Das Figurenalphabet des Meisters E. S. Diss. München 1999. Schriften aus dem Institut für Kunst­geschichte, Bd. 73, 32ff. - Die Buchstaben des Bocholter Goldschmieds sind insofern Neuerungen, daß es zuerst ihm gelungen war, folgerichtige Laub­werkbuchstaben zu konstruieren. Er allein konnte den im Grunde genommen (auch heraldischen) Widerspruch auflösen, daß Motive aus Ranken- und Laub­werk keine deutlichen Umrisse haben und sich daher am schwierigsten der Li­nearität der Buchstabenformen anpassen lassen. Dem konnte der schöpferische Goldschmied so abhelfen, daß er die Blumen- und Blättereinheiten bei seinem Alphabet zur besseren Erkenntlichkeit durch dünne Stäbe einfaßte. Auf dem Blatt L. 620 wagte er in dem für ihn größtmöglichen Stichformat - hinsichtlich seines eigenen Oeuvres aber auch hinsichtlich aller anderen Buchstabenkom­positionen des Jahrhunderts - einen außerordentlichen Schritt: Seine stilisier­ten Buchstaben haben nur einen Buchstabenkörper, aber keine eigenen Konturen. Auf Blatt L. 620 ist aus den Stäben kein Buchstabenteil, sondern ein dreifacher Spannrahmen geworden, während die Blätter ein bildhaftes Geflecht ergaben. Ein offensichtlicher Widerspruch dieses Unternehmens besteht darin, daß der Akanthus, die in der Heraldik Jahrhunderte lang gebrauchte künstliche Pflanze - nach ihrer Bestimmung ein zusätzliches Element ausschließlich in ornamentaler Funktion - in der Querfüllung L. 620 selbst zu Buchstaben ge­flochten zur Stimme und zum bildlichen Mittel der göttlichen Verkündigung (von teilweise verstecktem Sinn) werden konnte, besser als jegliche Figur. Der Stecher hat den Erfolg selbst gefühlt. Deshalb fügte er in Minuskeln entspre­chend einer Verpflichtung - „syngrapha" - den Aufruf „da gloriam dco" hinzu. Letzteres empfand Geisberg verglichen mit Van Eycks „als ik kan" als viel zu selbstbewußt (Geisberg 1903, wie Anm. 17, 61), aber es könnte nach dem über­schäumenden künstlerischen Erfolgserlebnis sehr wohl auch ein Zeichen der biblischen Demut sein. Der „gute Geschäftsmann" Israhel - bis zu unserer Zeit der einzige Träger dieses angenommenen Künstlernamens unter den Klassi­kern, aber wohl auch sonst - war sich im klaren darüber, mit welchen künstle­rischen, geistigen Fragen er sich beschäftigte, wenn auch mit Erfolg. Als Wappenentwerfer hat dann später noch der junge Dürer die Rolle oder das Schicksal des Akanthus gespürt, als er in einer Zeichnung (Wappen mit Mann am Herd oder Wappen mit Pelikan, um 1493/95, früher Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen) die Natur und das künstliche Laub zu beiden Seiten eines ironischen Wappenschildes anordnete (darauf kommen wir später noch zurück). Nach unserer Auffassung hat der Meister der Zwickauer Tafeln noch mehr als sein Kollege aus Bocholt verstanden, seinen Namen in der Werkstatt Wolgemuts zu verewigen und sofort zu verbergen. Auf der Rückseite eines Frauenbildnisses ist eine Rankenmalerei überliefert, die sehr nahe mit den Zwickauer Tafeln verwand ist (Berlin, Deutsches Mu­seum, Tannenholz, 32 x 32 cm), vgl. Buchner 1953, Nr. 160, Abb. 160), Jacob Eisner zugesprochen. Ein anderes Rankenwerk hat sich mit der Jahreszahl 1497 auf dem Schiebedeckel des verschollenen Bildnisses von Lazarus Holzschuher von Jacob Eisner erhalten (Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, B. 218; vgl. Dülberg 1990, Nr. 129, Holz, 43,7 x 37,3 cm, Abb. 602). Beide Ranken­malereien stammen aufgrund der Zeichnung und der Art der Schraffuren wohl von derselben Hand. Der Zusammenhang mit der Wolgemut-Werkstatt ist nicht auszuschließen, wenn Jacob Eisner bereits in den 1480er Jahren einige Zeit in der Wolgemut-Werkstatt verbrachte. 25 Über die Glorifizierung, die nicht dem Menschen gebührt: „Non zeles gloriam, et opes peccatoris" „Bono animo gloriam redde Deo" „Danti mihi sapientiam, dabo gloriam" (Eccli, 9,16; 35,10; 51,23) „Ego Dominus, [...]: gloriam meam alteri non dabo" „[...] in gloriam mcam creavi eum, formavi eum et feci eum. " „[,..] propter me faciam, [...] et gloriam meam alteri non dabo. " „[...] erit tibi Dominus in lucem [...] et Deus tuus in gloriam tuam. " (Isai, 42,8; 43,7; 48,11; 60,19) „[...] erue nos [...], et da gloriam nomini tuo, Domine. " (Dan 3,43) Diese Bibelstellen verdanke ich Hochwürden Dr. Attila Farkas. 26 Der Buchstabe E in der Mitte des Schildfeldes der Tafel wird allein von einem ungeschälten Ast umrahmt - das ist gleichsam der Herzschild, vgl. M. Pas­toureau: Traité héraldique, Paris 1993, 98. - Es ist eine berechtigte Frage, ob die Darstellung eines Pfaus indischen Ursprungs, der mit der Unsterblichkeit in Zusammenhang gebracht wird, in Dieser Darstellung, wie er den Schild in der Mitte des Buchstaben E hält, auf die Unverweslichkeit hinweisen könnte. Unter Hinweis auf Antonius von Padua heißt es „ ... »Bei der allgemeinen Auferste­hung, da alle Bäume, ich meine alle Heiligen, sich wieder mit frischem Grün bekleiden, wird jener Pfau (unser Leib), der die Federn der Sterblichkeit abge­legt hatte, die Unsterblichkeit empfangen.« Der Gedanke erinnert an eine Pli­niusstelle, die fur die frühjahrliche Wiedergewinnung des prächtigen Federkleides den Audruck »renasci« (wiedergeboren werden) gebraucht: »donec renascatur cum flore«." in: D. Forster: Die Welt der Symbole. 2. Aufl. Innsbruck-Wien-München 1967, 251 (Stichwort Pfau). 27 „Rätselwappen: Wappen, bei denen die Ursache für einen Regelverstoß (vor allem gegen die Farbregel) zu enträtseln wäre." Vgl. Neubecker 1977, 50 - Den Rätselwappen entsprechen die Interpretation der versteckten Jahreszahlen der Gedenktafeln und Inschriften und deren Wortspiele, die den zu enträtselnden In­halt mit Buchstaben angeben. 28 Diesbezüglich vgl. das Seminar des Collège de France von 1972/73 über die Si­gnaturen. A. Chastel et aut.: L'art de la signature, Revue de l'art, 26 (1974) 8ff. und die Folge der Themen (hier ohne die Namen der Autoren): I. Signature et signe ; II. Cadre et rebord ; III. Pratique artisanale du Nord ; IV. La signature epigraphique ; V. Fecit - faciebat ; VI. La signature emblématique ; VII. La si­gnature imprévue ; VIII. La signature des peintres verriers ; IX. Apelle et Pro­togène: la signature-ductus ; X. Esquisse d'une typologie, sowie Liebman 1973. 29 M. Geisberg: Der Meister der Berliner Passion und Israhel van Meckenem. Stu­dien zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 42, 1903, 62 sowie Geisberg 1939, 212: „das große Namensornament [...], das in der Verteilung des Blattwerkes über die ganze Fläche, in dem spielenden Durcheinanderschlingen der Schnör­kel und Blätter, der virtuosen Technik zu dem Hervorragendsten gezählt wer­den muß, was seine Zeit hervorgebracht hat, ein Meisterwerk, das in der eigenartigen Umkleidung großer Buchstaben durch reiches Blattwerk um ein Jahrhundert allen ähnlichen Darstellungen vorauseilt." - Auf die außerordent­lich konstruierten Namenszeichen der früher Buchdruckereien wollen wir hier nicht näher eingehen. 30 Wokol Wita Stwosza, Katalog wystawy w Múzeum Narodowym w Krakowie, 2005, I —II; M. Stawowiak: Agony in the Garden in the Parish Church of All Saints at Ptaszkowa, in: Around Veit Stoss, Exhibition in the National Museum in Cracow, March-May 2005, 70ff. mit Abb.: Christus auf dem Ölberg, 1493/95, Veit Stoß zugeschrieben, Holz, 100,5 * 114 * 1 lern. 31 Zu den rätselartigen Inschriften im Zusammenhang mit Stoß, vgl. R. Kahsnitz: Die Volckamersche Gedächtnisstiffung, in: AK Stoß, Nürnberg 1983, 218-258 (bezüglich der Signatur) und 295-301, zur Buchstabenfolge auf dem Mantel­saum der Heiligen Anna Selbdritt: „Inschrift, deren Buchstaben im einzelnen deutlich ausgeprägt sind, ohne daß sich ein Sinnzusammenhang zu ergeben scheint." (R. Kahsnitz; vgl. auch Abb. 181). 32 L. Behling hob besonders dieses Blatt (L. 619 = G. 471) als Vorbild für die linke Tafel in Zwickau (vermutlich auch wegen der Konstruktion aus Kreisen) hervor und fügte hinzu: „Der rechte Flügel ist zum linken in den Hauptkurven nahezu im Spiegelbild komponiert." Behling 1957, 73-74. Sie ließ beim Ver­gleich der Tafeln und der Stiche die einhellige Meinung zu letzteren, die die beiden Blätter nach 1490 oder noch später datierten, völlig außer acht. Der Zwickauer Altar wurde im Vorfrühling 1479 übernommen und aufgestellt. So müßten beide Kupferstiche, die als Vorlage zu den Rückseitentafeln dienten, Mitte der siebziger Jahre entstanden sein. In einer mündlichen Mitteilung, für die ich ihm auch an dieser Stelle danken möchte, fand Dr. Fritz Koreny (2006) diese Datierung gar nicht unmöglich. Die weiter stilisierte Übernahme ist von Bedeutung. Ein nordischer Maler ver­wendete die grafischen Vorlagen des Bocholter Goldschmieds auf einer Altar­rückseite und experimentierte somit auch mit den ersten Schritten der sich formenden neuen Naturauffassung des „Laub- und Astwerks". In diesem Sinne läßt sich dies im „Norden" mit ebenso viel Recht zu den Erstlingen zählen wie Pilgram in der Skulptur, vgl. K. Oettinger: Anton Pilgram und die Bildhauer von St. Stephan. Wien 1951. Vgl auch Braun-Reichenbacher 1966 (wie Anm. 7), 86-89 beziehungsweise G. Bandmann: Ikonologie des Ornaments und der Dekoration, Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, IV (1958/59) 240ff. (unter anderem in Bildern des „paradisum voluptatis" und des Paradiesgärtleins). 33 Rupprich 1956, 31. 34 Baidung dürfte seinen Beinamen um 1505 erhalten haben. „Auf den Neckna­men Grien könnte auch die Rebblatt-Signatur verweisen, die Baidung in dieser Jahren als Gesellenzeichen verwendete; bezogen wurde »Grien« vermutlich auf das prächtige grüne Gewand, das Baidung zu festlichen Anlässen trug" (Oet­tinger-Knappe 1963) - ein solches trägt er auf der Mitteltafel des Sebastian­saltars von Brüssel, wo er sich 1507 aus dem Bild herausblickend darstellte. Vgl. auch Gert von der Osten: Hans Baidung Grien, Gemälde und Dokumente, Berlin 1983; Matthias Mende (bearb.): Das graphische Werk, Vollständiger Bildkatalog der Einzelholzschnitte, Buchillustrationen und Kupferstiche. Un-

Next

/
Thumbnails
Contents