Veszprémi Nóra - Jávor Anna - Advisory - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2005-2007. 25/10 (MNG Budapest 2008)

STUDIES - Miklós MOJZER: Der historische Meister MS sive Marten Swarcz seu Martinus Niger alias Marcin Czarny, der Maler des Krakauer Hochaltars von Veit Stoß II. Teil. Krakau und Nürnberg im Jahr 1477 und davor

siert, aber die Blätter in der Masse des Akanthuslaubs gestaltete er als deutlich konturierte und „schattierte" Gegenstände. Der be­kannte, bereits um die Jahrhundertwende in drei Ansichten ge­zeichnete Nürnberger Stechhelm ist bis hin zu den Nieten und den Nietlöchern genau wiedergegeben (W. 177, Paris, Louvre). Das Tor im Wappenbild darunter ist ein aus Brettern gezimmertes dörf­liches Tor mit Scharnieren und Nägeln, zu dem perspektivisch ge­zeigte drei Treppenstufen hinaufführen. Als Helmzier bildete er sozusagen eine lebendige Herme, einen Mohrenknaben im Profd mit Ohrring und Stulpenhut, mit der gleichen Genauigkeit ab. Er umgab ihn mit für die heraldischen Gewohnheiten viel zu großen Schwingen mit perspektivisch gezeigten Federn, die beinahe wie ein Heiligenschein anmuten. Die realistisch wirkenden Gegen­stände übereinander sind der Schild, das Tor, der Helm, der Moh­renknabe, die Kartusche oben zwischen den Flügeln, auf der die Jahreszahl vor dem Monogramm steht, damit es ja nicht als Anno Domini mißverstanden wird - im übrigen ist es in beiden Bedeu­tungen wahr. 66 Er hat das Monogramm von vornherein so kom­poniert, daß das A an ein Tor erinnert, und plazierte darunter ein d - zunächst als Minuskel, dann als D Majuskel. 67 Im vollständi­gen Wappen ist der von unten und von beiden Seiten durch die Flügel umgebene Mohrenknabe wohl ungewollt ein Spiegelbild dazu. Dies dürfte keine besondere Bedeutung haben, denn der kleine Mohr war als eine Art Boy in den Wappen und den dama­ligen Gewohnheiten ganz alltäglich, 68 auch hier ist er eher ein (ge­wollter?) Gemeinplatz. Nicht so die Flügel, denn diese ergänzen das Wesen der heraldischen Aussage, machen das Bild sogar tri­umphal, indem sie das geöffnete Tor (die Flügel = darunter die Türflügel), das zum Eintreten einlädt, wiederholen. Die Flügel öffnen sich nicht nach Innen, sondern nach Außen. Die realistisch gezeigten Vogelflügel - sie demonstrieren über dem Helm die Er­hebung, die Erhabenheit - öffnen sich ebenfalls nach außen, aber noch mehr nach oben, zum Auffliegen bereit. Das Akanthuslaub ist in der Wiedergabe der Raumtiefe eine Bravour des Holz­schnitts, 69 wiewohl seine Rolle hier etwas zurückhaltender ist. Der Holzschnitt mit dem Familienwappen (seine Entstehung auf einer so hohen Stufe der Meisterschaft konnte nur durch hi­storisches Interesse und eine Art pietätvollen Familiensinn inspi­riert worden sein, hatte doch der Künstler keine Nachkommen) ist in gewissem Sinne die Fortsetzung des Titelholzschnitts der zwei Jahre älteren Nürnberger Reformation,™ auch darin, daß er seine Signatur oben, in der Mitte anbrachte. Diese Anordnung ist ungewöhnlich, hier aber verständlich. Auf dem Titelblatt steht an dieser Stelle der Wahlspruch des neuen Stadtrechts der Reichs­stadt in einer Kartusche „SANCTA IVSTICIA 1521", über dem kaiserlichen Wappen und den beiden Wappen der Stadt, um die auf Bestechung und Verschwendung hindeutende Haltung der bei­den Genien zu verurteilen und auf den Geist des Rechtsbuchs hin­zuweisen. 71 Dürer brauchte aber sein eigenes Wappen nicht an die Proportionen eines Buches anzupassen. Über dem Wappen und sogar der Signatur setzt sich das Blatt mit einer Leerstelle fort: Das Wappen mutet wie die Komposition aus Gegenständen vor dem Hintergrund einer Art Wand an, an der die Kartusche mit der Signatur noch aufgehängt wurde, die gewaltigen Flügel „davor" reichen noch darüber hinaus. Wenn das Wappen auch als Exlibris gemeint war, wäre dies die Stelle für einen Wahlspruch gewesen, hier ist sie aber leer. Die starke Linie des Rahmens des Druck­stocks umfaßt auch diese leere Stelle, die zwar kein Bestandteil des Titelblattes ist, aber ohne sie unvollständig wäre. Nicht aus Patriotismus, sondern der Sachlichkeit zuliebe ist noch zu erwähnen, daß beide Elemente im Wappenbild der deut­schen Tartsche mit rundem Fuß einen ungarischen Bezug haben. 72 Das Tor ist ein Hinweis auf den Geburtsort des älteren Dürer in Ungarn, der Dreiberg unter der Treppe stammt hingegen aus dem seit dem 13. Jahrhundert bekannten ungarischen Landeswappen. 73 Dreiberge oder gar Fünfberge gehören zwar zu den traditionellen Elementen der Heraldik, diese Form jedoch (schon auf dem Wap­penbild von 1490) nicht, weil der mittlere Berg höher als die an­deren beiden ist. Die Berge sind zwar vereinfacht, aber schattiert, und das gehört ebenfalls nicht zur Schablone. Im ungarischen Wappen steht auf dem mittleren Berg bis heute das Doppelkreuz (dies geht auf die Tradition eines Kreuzreliquiars zurück, das dem Wappenbild zugrunde liegt), 74 das Dürer gegen ein rührend häus­liches Tor vertauschte und umdeutete. In diesem Wappenbild

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