Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1992-1996 (MNG Budapest, 1998)

BUZÁSI, Enikő: EINIGE KAPITEL AUS DEM LEBENSWERK DES BILDNISMALERS ÁDÁM MÁNYOKI - Die zweite Berliner Periode. Pesne und Mányoki (1711)

begründeter zu sein, daß Mányoki eine Stichvorlage benutzte. Das Bildnis von Roos wurde nämlich mehrmals nachgestochen, zuerst 1658 von Philipp Kilian, allgemein bekannt wurde aber das Bild erst durch Joachim Sandrarts Werk von 1683. 181 Die Motivgleichheit der Kleidung und die Überein­stimmung der Komposition wird auch durch die ähnliche Körperbewegung hervorgehoben, obwohl sich Mányoki in dieser Hinsicht - nach überein­stimmenden Details zu urteilen - eher am Selbst­bildnis von Pesne aus der Zeit um 1710 ausrichtete. 182 Die Drehung des Oberkörpers und der zurück­gewandte Kopf sind in den beiden letztgenannten besser aufeinander abgestimmt, und die Palette mit den gebündelt gehaltenen Pinseln fügt sich in diesen beiden Fällen an gleicher Stelle in die Komposition. Während aber zu Pesnes eindeutigeren „Negligé"­Erscheinung ungewöhnlicherweise ein Stock in der Rechten hinzukommt, stützt sich Mányoki auf einen Malerstock, wodurch die ansonsten verwandte Bewegung in ein Motiv umgewandelt wird, das sich besser dem Thema fügt. So neuartig und modern auch dieses Selbstbildnis Mányokis in seiner Anschauung anmutet, schöpft es doch - kaum merkbar - auch aus den Vorläufern der Gattung aus dem 17. Jahrhundert. Der dünne braune Streifen unten im Bild verweist auf das Brüstungs­motiv der italienischen Renaissancebildnisse, das nach Rembrandts Selbstbildnis von 1640 (dessen Kompo­sition Tizians Ariost-Bildnis entlehnt ist) in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über die Selbst­bildnisse von Malern vorwiegend aus der Leydener Schule immer reicher und abwechslungsreicher ge­staltet verbreitete. 183 Ebenfalls ein aus dem 17. Jahr­hundert geerbtes Requisit ist der weiche Samthut mit breiter, hochgestellter Krempe, die auf den oberen Teil des Gesichtes einen warm-braunen Schatten wirft, seit Rembrandt ein beliebtes Motiv der Selbstbildnisse vor allem bei den holländischen Malern des 17. Jahr­hunderts. Trotzdem wurde Mányokis Selbstbildnis auch in diesem Detail vermutlich eher von einem Genrebild Pesnes angeregt, und zwar vom Mädchen mit Strohhut und Gemüsekorb, das von Börsch­Supan in die Zeit zwischen 1710 und 1715 datiert wurde. 184 In diesem Bild ist nämlich nicht nur die kompositioneile Rolle des Hutes, der die obere Gesichtshälfte beschattet, die gleiche, sondern auch die koloristischen Eigenarten, die Farbzusammen­stellung aus Braun-, Ocker- und Weißtönen. Die im Dunklen gehaltene Augenpartie weist bei Pesne denselben koloristischen Aufbau aus Helldunkel­flecken auf, die auch am Selbstbildnis Mänyokis auffällt, umso mehr als dies mit seiner bisherigen Technik, die Detailformen des Gesichts sorgsam in Pinselzeichnung zu entwickeln, völlig im Gegensatz steht. In diesen Eigenarten der Modellierung befolgt aber Mányoki noch eindeutiger ein anderes Genrebild Pesnes, das von Ekhart Berckenhagen und Helmut Börsch-Supan um 1706, auf die Zeit seines Venedig­Aufenthaltes, während von Gerd Bartoschek - im Zusammenhang mit den kurzen Studien in Rom - um 1708 datiert wird. Es handelt sich um das Gemälde Aus dem Fenster winkendes Mädchen, 185 das über die Ähnlichkeiten der Färb- und Tonbehandlung hinaus in der Lösung der Nasen- und Mundpartien so augenfällige Ähnlichkeiten aufweist, daß sie hin­sichtlich der entsprechenden Details in Mányokis Selbstbildnis als unmittelbare Vorlage betrachtet werden darf. Die stilistischen Zusammenhänge des Selbst­bildnisses mit den Werken Antoine Pesnes verweisen - wenn auch nur unmittelbar - auf die persönliche Bekanntschaft der beiden Maler, aber Mányokis Auftrag für das Bildnis Freifrau von Blaspiel (Kat. Nr. 51) bietet auch hinsichtlich der Arbeits­beziehungen der beiden Meister Anhaltspunkte. Das Bildnis Freifrau von Blaspiel ist in Berckenhagens Œuvrekatalog noch als ein Werk von Pesne behandelt und auf die Zeit zwischen 1715 und 1718 datiert. 186 Das Bildnis wurde zuerst, anläßlich einer Ausstellung, von Börsch-Supan als ein Werk Mányo­kis veröffentlicht. Er brachte es mit Mányokis Berliner Aufenthalt im Jahr 1710 in Zusammenhang und nahm auch an, daß das repräsentative Dreiviertel­bildnis zur Bildnisgalerie der Hofdamen der Kron­prinzessin Sophie Dorothea im Schloß Monbijou gehörte. 187 Da aber das von Johann Friedrich Eosander Göthe für Friedrich I. ausgeführte Schloß erst 1711 in den Besitz der Kronprinzessin gelangt war, korrigierte später Börsch-Supan die Datierung der erhaltenen Bilder der Folge - mit Ausnahme eines einzigen, 1712 datierten Bildes - auf die Zeit um 1711 . l88 Die Hofdamengalerie im Prunksaal des Lustschlosses bestand ursprünglich aus 10 Knie­bildern, von denen sich heute nur mehr 5 identifi­zieren lassen, und diese sind - mit Ausnahme des Bildnisses Freifrau von Blaspiel - alle Arbeiten von Pesne. 189 Börsch-Supan hat zwar aufgrund der In­ventare des Lustschlosses von 1738 und 1758 die Namen sämtlicher Dargestellter veröffentlicht, aber die Zahl der erhaltenen Bilder konnte bis jetzt nicht erweitert werden, so bleibt es einstweilen auch un­bekannt, ob Mányoki an diesem Vorhaben außer mit dem Bildnis Freifrau von Blaspiel beteiligt war. 190 Aufgrund der zur Zeit bekannten Zahlenver­hältnisse hat es den Anschein, daß der Auftrag für die repräsentative Folge im Jahr 1711 Antoine Pesne, dem eben (im Mai) ernannten Hofmaler, erteilt wurde,

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