Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1989-1991 (MNG Budapest, 1993)
Pieske, Christa: DAS BILD IM BILDE: „EIN MORGEN NACH DEM MASKENBALL"
wurden in den Zeitschriften annonciert und in den Kunsthandlungen geführt, gleichgültig, ob in London, Berlin, Wien oder Budapest. Durch das Angebot von Serien, Pendants und Suiten erhöhte sich der Wunsch nach Komplettierung. Die Pariser Kunstverlage wie Bulla, Jouy & Cie. oder Goupil & Cie., um nur die bekanntesten zu nennen, lagen mit ihren Serien wie „Galerie pour rire", „Le Musée des rieurs", „La Galerie omnibus" oder „Le Tohu-bohu plaisant" im Trend der Zeit. Um die Jahrhundertmitte bis etwa 1870 hatten diese Lithographien mit ihren Szenen, in denen die Demimonde nicht ausgeschlossen war, einen großen Anteil an der Verbreitung Pariser Graphik. Das zeigte sich auch darin, daß der Comte dTdeville 1868 in Genf eine Übersicht, „LTconographie des estampes à sujets galants", anonym herausgab. Nach Motiven, Malern und Graphikern geordnet, mit Quellen (Serien, Mappenwerken), Kunstverlegern und auch Preisen versehen, war das Buch zu einem praktischen Bestellkatalog geworden 67 . Ein anderer Gesichtspunkt soll noch hervorgehoben werden: Es handelt sich um die schrittweise Trivialisierung, die sich vom künstlerischen Entwurf (Ölgemälde oder Zeichnung) in Stufen bis zum Bilderbogen erstreckt. Da dieser Fragenkomplex kürzlich ausführlich dargelegt wurde, mag hier nur soviel gesagt werden 68 : Gemälde, deren Thematik und Ausführung mit einer größeren Publikumswirksamkeit rechnen ließen, wurden von ausgewiesenen Kupferstechern im Auftrag von Kunstverlegern in den Stich (gemischte Manier) umgesetzt. Die sehr großformatigen Blätter, deren Ausgabe sich nur auf wenige Hunderte belief, erreichten noch nicht das große Publikum. Erst mit der Übernahme durch die Lithographie waren andere Auflagen zu erzielen, konnte — noch mit aller Vorsicht - von einer beginnenden Massenproduktion gesprochen werden. Damit mußte bereits eine Verwandlung von Inhalt und Ausführung einsetzen. Um populär zu sein, bedurfte es der Reduzierung auf nur wenige Personen, der Vereinfachung des Sujets und vor allem der Kolorierung. Diese erfolgte meistens flächendeckend und betonte dekorative Details. Die Palette der Möglichkeiten, von dem Original Stufe um Stufe bis zum karikierenden Bilderbogen zu gelangen, ist recht umfangreich. Für die Graphiken, die bei Borsos wiedergegeben sind, wäre auf der Leiter die der oberen Mitte anzusetzen. Es sind die in Auflagen von einigen Tausenden herausgebrachten Lithographien, koloriert und, soweit erkennbar, mit mehrsprachigem Titel. Diese von Kennern gesuchten Blätter der Pariser Verlage lagen qualitativ und damit preislich über den gleichzeitigen Berliner Produkten. Borsos schuf mit seinem Sittengemälde ein Stück Wirklichkeit aus dem Leben der führenden Gesellschaftsschichten. Diese Welt war weit entfernt von dem Alltagsleben der Allgemeinheit. Die Motive der Graphiken aber stellen so etwas wie ein verbindendes und schichtenübergreifendes Phänomen dar, mit der ungleichen Liebe mußte und konnte man leben! Ob künstlerische Lithographie oder bunter Bilderbogen, — dieser Bildstoff erreichte alle Schichten und war vermutlich beim Betrachten auch für alle eine Quelle des Vergnügens.