Takács Imre – Buzási Enikő – Jávor Anna – Mikó Árpád szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve, Művészettörténeti tanulmányok Mojzer Miklós hatvanadik születésnapjára (MNG Budapest, 1991)

BOGYAY Tamás: Kritikai tallózás a Szentkorona körül

KRITISCHE NACHLESE UM DIE HEILIGE KRONE Der Beitrag setzt sich in Bezug auf vier umstrittene Prob­leme der Kronenforschung mit Lösungsversuchen ausei­nander, die den Weg zu neuen Erkenntnissen zu sperren drohen. 1. Aus dem Brief des Papstes Gregor VII. vom 28. Oktober 1074 an König Salomon wird gefolgert, daß die Krone des hl. Stephan vom Kaiser Heinrich III. 1044 in der Schlacht von Ménfő erbeutet und nach Rom ge­schickt wurde, wo sie später verloren ging. Diese Interpre­tation geht auf Gyula Pauler zurück, der aufgrund der Objektuntersuchung von 1880 überzeugt war, daß die heutige Krone nicht die des ersten Ungarkönigs gewesen sein kann, und glaubte, daß die Herrscher auch im Früh­mittelalter nur eine Krone besaßen, die vererbt wurde. Der Papstbrief beweist jedoch lediglich, daß Gregor VII. weder von einer römischen Herkunft der vom Kaiser über­sandten Herrschaftszeichen, noch von einer päpstlichen Kro­nenschenkung an König Stephan wußte. Dieser Sachverhalt steht vollkommen im Einklang mitden neuesten Erkenntnissen über die Unglaubwürdigkeit des Berichtes in der Ste­phansvita des Bischofs Hartvic (Josef Deér, Johannes Fried, József Gerics). 2. Unter den Argumenten, womit bewiesen werden soll, daß die Heilige Krone eine einheitlich geplante und ausgeführte Goldschmiedearbeit sei, erscheint auch die Behauptung, der Reif mit seinen Aufsätzen (die „Corona graeca") und die Bügel (die „Corona latina") seien mit Perldraht „gleichen Typs" verziert. In Wirklichkeit fin­det man an der „Corona graeca" nur den eigenartigen Perldraht mit „Äquatorschnitt", der mit einem anderen Werkzeug und nach einem anderen Verfahren herge­stellt wurde als die Perldrahtverzierung der Bügel. Der Unterschied spricht eindeutig gegen die angebliche Einheitlichkeit der Krone. 3. Die Verfechter der Einheitlichkeit halten Peter Ré­vays Beschreibung aus dem Jahre 1613 für einen untrüg­lichen Beweis, daß die drei Herrscherbilder nicht zum ursprünglichen Zustand gehören und die „Corona grae­ca" nicht datieren können. Ihre Versuche, die Entste­hung der realitätsfernen Objektbeschreibung zu erklären, sind widersprüchlich, sie heben sogar einander auf. Révays Werk ist ein typisches Produkt jener barock­humanistischen Gelehrsamkeit, welche die abstrakte Idee und Allegorie viel hoher schätzte als die visuell erlebte Wirklichkeit. Literatur und höfische Kunst um 1600 bieten dafür manche Beispiele, wie u.a. Chri­stoph Lackners Buch über die Embleme der Krone Ungarns. Wer solche Texte als kunthistorische Quel­le benutzt, gerät meist in eine Sackgasse. 4. Trotz der bahnbrechenden Erkenntnis von Magda v. Bárány-Oberschall und der typologischen Untersuchungen von Josef Deér halten namhafte ungarische Historiker die „Corona graeca" immer noch für die Krone des Kö­nigs Géza I. DieBehauptung, die für byzantische Frau­enkronen typischen Aufsätze („pinnae") seien nach­träglich angebracht worden, haben die technischen Un­tersuchungen keineswegs bestätigt. Die Vorstellung aber, ein Herrscher habe sein eigenes Bild getragen, ist histo­risch nicht zu belegen und psychologisch sowie logisch ein Unsinn. Nur Synadene, Gézas zweite Gattin, kann die Krone erhalten und getragen haben. Dieser Be­stimmung entsprechend wurden die Herrscherbilder am Reif angebracht, vielleicht an der Stelle anderer Emailplatten.

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