Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1980-1988 (MNG Budapest, 1989)

R. Várkonyi, Ágnes: VARIATIONEN ÜBER DIE UNGARISCHE GESCHICHTE: DIE BILDER DER AUSSTELLUNG. UNGAR 1526-1790

DIE OSMANISCHE HERAUSFORDERUNG (1526-1608) Am 29. August 1526 wurde nahezu die gesamte Streitkraft des Königreichs Ungarn vom Heer des Sultans Suleiman vernichtet. Etwa 20 000 Kämpfer blieben auf dem Schlachtfeld, unter ihnen führende Aristokraten des Landes, und ums Leben kam auch der König, Ludwig IL Mohács, der Name des Schlachtfeldes, ist in Ungarns Geschichte eine Epochenzäsur. In der Geschichte Europas ist es ein zwar Aufmerksamkeit erregendes, aber eben nur ein Ereignis der mit fürchterlicher Geschwindigkeit vordringenden osmanischen Eroberung unter vielen. Von Wien bis nach Madrid flehte das Volk um das Seelenheil des ungarischen Königs. Beistand jedoch wurde Ungarn von keinem einzigen Land gewährt. Die ungarischen Stände haben in der Hoffnung auf internationale Hilfe zwei Könige gewählt. Vom Königtum des Woiwoden von Siebenbürgen János Szapolyai erhofften sie sich die Unterstützung Polens und Frankreichs; bei Erzherzog Ferdinand von Habsburg setzten sie. als Gegenleistung für die Krone, auf Geld und Truppen seines Bruders, des Königs von Spanien und Kaisers des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Karl V.'' Allein. Europa hatte im Jahrhundert zuvor aus den antitürkischen Kämpfen der Balkanländer und später von Venedig, Polen und vor allem von Ungarn gelernt, daß die Kraft der Osmanen zu fürchterlich ist. als daß sich ein oder zwei christliche Staaten im Alleingang ihr mit Erfolg widersetzen könnte. Und mit der Idee der Kreuzzüge konnten Anfang des 16. Jahrhunderts die Kräfte Europas nicht mehr zusammengefaßt werden. Vergeblich versuchte Papst Leo X. im Jahre 1513. /wischen Spanien. England, Frankreich und Ungarn eine antitürkische Allianz ins Leben zu rufen. Die Länder Europas waren durch Macht- und Wirtschaftsinteressen geteilt. Frankreich erblickte in der weit entfernten osmanischen Macht vor allem den Gegner seines eigenen größten und nächsten Feindes. Karls V. des Hauses Habsburg. Die christlichen Länder waren auch noch gar nicht darauf vorbereitet, in einer gemeinsamen Unternehmung einen einheitlichen Kampf zu beginnen. Ihre Streitkräfte waren von geringer Zahl und bestanden vielfach aus Söldnermilitär, ihre Kräfte waren von den inneren sozialen Widersprüchen, dynastischen Kleinkriegen und den die religiöse Einheit spaltenden sozialen und geistigen Unruhen ausgehöhlt. Venedig gratulierte Sultan Suleiman zu seinem Sieg bei Mohács, obgleich die Türken erst ein Vierteljahrhundert zuvor. 1499. Venedigs furchterregende Kriegsflotte vernichtet hatten. Die christlichen Länder wußten, daß die Kraft des Osmanischen Reiches vorerst nicht zu überwinden war. Es war eine Macht von anderen Maßstäben, von einer anderen Qualität als jene der christlichen Länder. Seine Staatsorganisation war zentralisiert und funktionierte präzis. Sein Heer bestand aus zum Kampf erzogenen Berufssoldaten. Die furchterregenden Janitscharendivisionen wie auch die Versorgung der sich auf Hunderttausende belaufenden Krieger wurden aus den unerschöpflichen Menschenreservoiren des sich auf drei Erdteile erstreckenden Reiches aufgefüllt. Das Handels- und Industriehinterland diente als sichere Wirtschaftsreserve. Die Gesellschaft des Osmanischen Reiches wurde von den starken Banden der islamischen Religion, der in einheitliche konfessionelle Organisationen integrierten Wissenschaft und von einem stabilen kulturellen und von alters her überbrachten Zivilisationssystem zusammengehalten. Diese ursprünglich außereuropäische Macht hatte, als sie an den Grenzen Ungarns angelangt war, Europa schon halb umzingelt. Nachdem das Reich im Süden den Balkan verschluckt hatte, stabilisierte es seine Stützpunkte am Mittelmeer. Im Osten von Europa drang es bis zu den Grenzen Polens und Rußlands vor und unterwarf sich das Khanat der Tataren auf der Krim, die Moldau und die Walachei. 8 Ungarns Population in der Zeit vor Mohács wird auf 4 Millionen Menschen geschätzt.'' Sein Territorium wurde von den Ungarn in den anderthalb Jahrhunderten nach Mohács mit jenem des Osmanischen Reiches häufig verglichen, und die ungeheuren Unterschiede wurden mit dem Vergleich von Mücke und Elefant angedeutet. Selbst wenn es ein größeres, in der Blüte seiner wirtschaftlichen und militärischen Kraft stehendes Land gewesen wäre, hätte Ungarn die Osmanen nicht aufzuhalten vermocht. Aber Anfang des 16. Jahrhunderts waren es schon hundert Jahre — wie Palatin Miklós Esterházy Mitte des 17. Jahrhunderts bei der Analyse der Niederlage von Mohács schreiben wird —, daß es ..mit gewaltiger Seele und Tapferkeit gegen sie gekämpft hat und seine Kräfte augenscheinlich geschwunden sind". 1(1 Europa gab auf die osmanische Herausforderung eine doppelte Antwort. Einerseits bildete es in der Not Formen der Koexistenz mit dem Feind aus, um dessen furchterregende Eroberungskraft kennenzulernen und sich zunutze zu machen. Frankreich schloß mit dem Sultan ein Handelsabkommen (1535). und seine Beauftragten waren an der Hohen Pforte in Konstantinopel mit den Residenten von Venedig und Genua und danach mit den holländischen und englischen Gesandten um i.lie Wette bemüht, in den unter osmanische Herrschaft geratenen Gebieten wirtschaftliche und diplomatische Stützpunkte Frankreichs auszubauen. Die osmanische Macht, die 1541 die Hauptstadt des Königreichs Ungarn, Buda (Ofen), besetzt hatte, gliederte sich in Europas Leben durch die Fäden von Diplomatie und Wirtschaft ein. Andererseits mühte sich aber die christliche Welt durch einander folgende Erneuerungsbewegungen, gegenüber der osmanischen Eroberung Oberwasser zu gewinnen. Die Weltwirtschaft erweiterte sich. Die bis dahin unter der Herrschaft der Stände lebenden Staaten haben sich in starke, zentral gelenkte absolutistische Monarchien verwandelt. Die Renaissance machte den Menschen ihre bis dahin unbekannten Möglichkeiten bewußt. Die Reformation eröffnete mit ihrem neuen gesellschaftlichen Wertsyslem. mit der muttersprachlichen Kultur und mit der Verbreitung des Buchdruckes neue Perspektiven. Gegen Ende des Jahrhunderts formieren sich schon die ständigen Armeen, und Busbequius, der als Diplomat des Habsburger-Herrschers lange Zeit unter Türken verbracht hat. ruft die Völker Europas zum gemeinsamen Kampf gegen die osmanische Macht auf und schlägt vor, die Kräfte der bedrohten Länder durch die nationale Idee zusammenzufassen." In Ungarns Situation war es jedoch eine beispiellose Aufgabe, die osmanische Herausforderung zeitgemäß zu beantworten. Sultan Suleiman hatte den mittleren Teil des Landes, etwa zwei Drittel des vorherigen Gebietes, das fruchtbarste Flachland Ungarns, unter der Herrschaft der Paschas von Buda seinem Reich einverleibt. Siebenbürgen hingegen, der östliche Landesteil, wurde, mit einem Fürsten an der Spitze.

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