Technikatörténeti szemle 22. (1996)

Papers from the Second International Conference on the History of Chemistry and Chemical Industry (Eger, Hungary, 16–19 August, 1995) - Engel, Michael: Ungarische Chemiestudenten und Chemiker in Berlin 1870 bis 1940

zu unterschätzender Faktor. Die Sogwirkung einiger nach Berlin gekom­mener österreichisch-ungarischer Wissenschaftler dürfte darüber hinaus eine Rolle gespielt haben, sind doch die postdocs mehrheitlich an das in dieses Schema besonders gut passende Kaiser Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie gegangen. Leider fehlen autobi­ographische Aufzeichnungen, die gerade in ihrer Subjektivität dit Motive erkennen lassen würden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Lajos Singer, der in Berlin seine Doktorarbeit anfertigte, die Stadt auch als eine Hauptstadt der Chemie bezeichnet, in der hervorragende Chemiker auf allen Gebieten der Chemie arbeiteten. 33 Zwei weitere Ungarn in Berlin, der Physikochemiker Adalbert Farkas und der Arzt Janos Plesch, bestätigen einige Zeit später das Gesagte. 34 Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland 1933 und die Folgen des Anschlusses von Österreich 1938 waren auch für die „Berliner" Ungarn das Ende eines sicheren Lebensweges, denn alle der hier genannten Hochschulchemiker waren Juden oder jüdischer Herkunft. Wer nicht emigrierte, blieb der Verfolgung ausgesetzt, wer glaubte, in der Heimat einigermaßen sicher zu sein, geriet zumindest in die Wirren des zweiten Weltkriegs. Schließlich folgte die kommunistische Machtübernahme unter sowjetischer Vorherrschaft. Wie viele der hier aufgeführten Personen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern oder durch den Stalinismus ums Leben gekommen ist, wie viele in Gefängnissen landeten und wie viele nach hoffnungsvollen Anfängen aus der Bahn geworfen wurden, wissen wir nicht. 2. Lebensläufe Im zweiten Teil des Vortrags möchte ich auf einige der ungarischen Chemiker in Berlin etwas näher eingehen. Ich beschränke ich mich auf nur wenige, bevorzuge die ungewöhnlichen sowie die für Berlin wichtigen. Dabei kann ich guten Gewissens zuerst den genius loci beschwören, denn einer der in den vorstehenden Aufstellungen Genannten steht uns vom Inhalt seiner Arbeit besonders nahe. Es ist der hier in Eger geborene Franz Strunz, ein bekannter und bedeutender Chemiehistoriker. Nach dem Chemiestudium in Dresden und Berlin verlegte sich sein Interesse immer mehr auf die Naturphilosophie und die Geschichte der Naturwissen­schaften. Der Berliner Philosophieprofessor Günther Thiele und der Direktor des II. Chemischen Instituts der Universität, Hans Landolt - als Mitverfasser des berühmten „Landolt-Börnstein" unvergessen -, bestärkten und förderten ihn bei der Dissertation „Beiträge zur Entstehungsgeschichte

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