Tanulmányok Budapest Múltjából 28. (1999) – Urbanizáció a dualizmus korában: konferencia Budapest egyesítésének 125. évfordulója tiszteletére a Budapesti Történeti Múzeumban
A VÁROSI ÁTALAKULÁS KÉRDÉSEI ÉS SZÍNTEREI - Sármány Parsons Ilona: Die Rahmenbedingungen für die 'Moderne' in den ungarischen Provizstädten um die Jahrhundertwende = A modernizáció kezdetei a vidéki városokban a századforduló Magyarországán 131-151
bitteres Gefühl der Vernachlässigung, vermischt mit einem anwachsenden Zorn gegenüber dem Zentrum (Budapest), und der immer bedrohlicher werdende Druck durch die antagonistischen nationalen Spannungen stimulierten die junge Intelligenz der Region zu einer Revolte gegen die herrschende Politik, gegen den Zentralismus und Konservativismus, den die Machthaber auf den verschiedensten Ebenen des gesellschaftlichen Lebens betrieben. Es war nicht in den höher industrialisierten, viel weiter entwickelten pannonischen Städten (Pozsony, Győr, Szombathely, Pécs), wo sich nach 1900 die kulturelle Radikalisierung der Moderne manifestierte, sondern in den Wirtschaftszentren des Ostens (Nagyvárad, Arad, Temesvár). Auch wenn es widersprüchlich erscheint, hat die intellektuelle Elite in den pannonischen Städten - wo die Wurzeln der Stadtkultur und des gebildeten, großteils deutschsprachigen, aber zum Ungarntum assimilierten Bürgertums viel ausgeprägter waren, und die im Durchschnitt ihren Stadtbürgern einen zivilisierten, die technischen Errungenschaften der Urbanisierung schnell adaptierenden Lebensraum mit einer bürgerlichen Bildungskultur boten - keine radikalen Aspirationen gehabt. In den wirtschaftlich erfolgreichen Industriezentren wie z. B. Győr," Pozsony (Preßburg/Bratislava) oder in dem viel kleineren, aber musterhaft entwickelten Szombathely (Steinamanger) beherrschte noch immer der Fortschrittsglaube des Liberalismus das Weltbild, sogar jenes der Opposition. In der rationalen Sichtweise des Besitzbürgertums von Győr - das schon immer ein ausgewogenes, positives Verhältnis zu den Budapester Zentralbehörden suchte 38 - mußte die visionäre, überhitzte, apokalyptische Welt eines Ady nicht nur fremd, sondern auch gewissermaßen gefährlich erscheinen. Selbstverständlich wuchsen in der sich schnell industrialisierenden Stadt Győr die sozialen Spannungen, aber die Gefahr der Radikalisierung der Arbeitermassen war der städtischen Führungsschicht bekannt, und die für sozialen Fragen sensiblen Bürger (teils die zur Freimaurerloge gehörenden liberalen Staats- und Stadtbürokraten, teils sogar einige herausragende moderne Sozialpolitiker der Katholischen Kirche, wie z. B. Sándor Giesswein) suchten neue, moderne Lösungen für die akuten Probleme. 39 Die Katholische Kirche war in dieser alten Bischofsstadt immer sehr stark gewesen, sie dominierte das Unterrichtswesen, und in Rivalität mit der weltlichen liberalen Freimaurer-Intelligenz der Stadt entwickelte sie eine moderne Strategie, um ihre Positionen in der Kultur der modernen Industriestadt zu behalten. Es ist kein Zufall, daß die ungarische Christlich-soziale Bewegung 1903 in Győr entstand. 40 Die von verschiedenen Gruppierungen ausgehenden Reformbestrebungen bildeten eine entscheidende Facette der wirtschaftlich-sozialen Modernisierung der Gesellschaft. Zu ihren Errungenschaften zählten die vielen Schulinternate und Vereine sowie die Arbeitersiedlung in der Győrer „Gyárváros" (Fabrikstadt), eine einer Gartenstadt ähnliche Sozialwohnbau Siedlung (1905-1912). 4I 1908 stand Győr mit seinen vier Tageszeitungen und insgesamt 15 verschiedenen Presseorganen an der sechsten Stelle der ungarischen Städte. Die vielseitige Stadtkultur Gyors, die ebenso traditionelle Faktoren (wie z. B. das visuelle Erbe eines reichen barocken Bischofsitzes, die alte Musikkultur des deutschsprachigen Bürgertums, die Schulstadt-Rolle), wie moderne Faktoren (wie z. B. eine magyarisierte Theaterkultur, die starken liberalen Freimaurerlogen) beinhaltet hatte, konnte dennoch zu nicht mehr als einem regionalen ungarischen Ausbildungszentrum für Mittel- und Fachschulen aufsteigen. Ein Beispiel für das Fiasko der Hochschulbildung in Győr war der Fall der Rechtsakademie. Die Rolle der Rechtsakademien war nach 1867 in der Provinz äußerst wichtig, weil der neue, bürgerlich organisierte Staat sehr viele gut ausgebildete Beamte brauchte. Auf der anderen Seite boten die Akademien dem verarmenden Kleinadel und der aufstrebenden Kleinbürgerschicht auch günstige Chancen, außerhalb der teuren Hauptstadt zu studieren und dadurch sichere Positionen entweder in der staatlichen oder städtischen Bürokratie zu erobern. Folgende Städte hatten zwischen 1890 und 1910 Rechtsakademien: Pozsony, Debrecen und Nagyvárad. Es gab auch eine etwas niedrigere Stufe des Rechtsstudiums: die „Jogakadémiák" 138