Tanulmányok Budapest Múltjából 13. (1959)
Rózsa Miklós: A budapesti cukrászipar fejlődése = Die Entwicklung des Budapester Zuckerbäckergewerbes 167-206
Der Umstand, daß schweizerische Zuckerbäcker in verschiedenen Ländern Europas seßhaft wurden, blieb auch in der Geschichte des ungarischen Zuckerbäckergewerbes zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht ohne Wirkung. Den Folgen, die sich daraus für die Entwicklung des Gewerbes ergaben, ist erstmalig in dieser Studie Beachtung geschenkt. Im angehenden 19. Jahrhundert findet man in Pest sechs, in Ofen ebenfalls sechs Zuckerbäckermeister, im Jahre 1830 gibt es in Pest 10 Zuckerbäcker, 1841 bereits 13, während es in Ofen zur selben Zeit bloß sieben gab. Im Gewölbe des Zuckerbäckers des 19. Jahrhunderts offenbart sich die stille Lebensform des Ofner und des Pester Bürgertums. Die Zuckerbäcker-Gewölbe spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Verbreitung der urbanen Lebensformen. So groß auch der Aufschwung in der Entwicklung um den JahrhundertiDeginn war, konnte man in Ungarn noch in den 50-er Jahren größtenteils nur in •den Städten auf Zuckerbäcker stoßen, und auch diese waren zumeist Ausländer. Was die Auswahl der Waren betrifft, so war sie mit dem heutigen Sortiment oder nur mit dem des Jahrhundertendes verglichen, auf ein engeres Gebiet beschränkt. Im Zuckerbäckergewerbe Ungarns trat in den 1880-er Jahren die Wendung ein, welche auch einen Aufschwung im qualitativen Sinn mit sich brachte und damit verknüpft war, daß der Zuckerbäcker Emil Gerbeaud — »der dem alten ungarischen Zuckerbäckergewerbe neue Wege wies« — seine Tätigkeit in Budapest begann. Mit seinem Auftreten verblaßt der kleingewerbliche Charakter dieses Gewerbes und nach seinem Beispiels dringen immer mehr Maschinen in die Kleinwerkstätten der Zuckerbäcker ein. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts trennte sich bis zu einem gewissen Grad die Zuckerwarenherstellung von der Tätigkeit der kleingewerblichen Zuckerbäckermeister und entwickelte sich größtenteils zur Fabrikindustrie. Neben dem großen qualitativen Aufschwung, den das Zuckerbäckergewerbe nahm, gab es aber sogar um die Wende des 19. und 20. Jahrhunderts noch immer Produkte, die noch eingeführt werden mußten. Besonders groß war der Import in Teegebäck und Bisquitt. Die Lage besserte sich allmählich, als Joseph Auguszt 1901 seine Zuckerbäckerei in Ofen mit einer Werkstatt für Teegebäckerzeugung vergrößerte und 1903 die Firma Edmund Freund die erste Budapester Teegebäck- und Bisquittfabrik errichtete. Laut den statistischen Angaben war das Zuckerbäckergewerbe am Ausgang des 19. Jahrhunderts zum allergrößten Teil noch immer in den Städten mit bürgerlicher Bevölkerung anzutreffen, begann sich aber bereits auch in Städten mit ausgesprochen landwirtschaftlichem Charakter und sogar in Dörfern zu verbreiten. Zahlenmäßigen Wachstums erfreute sich das Gewerbe besonders in Budapest und in Ortschaften der großen ungarischen Tiefebene. Wir können sagen, daß die führende Rolle sowohl im zahlenmäßigen Wachstum als auch in qualitativer Hinsicht und Intensität Budapest gehörte. Weder das Zuckerbäckergewerbe noch alle jene Beschäftigungen, welche in der Folge mit dem Zuckerbäckergewerbe verschmolzen (u. a. das Gewerbe der Schokolademacher) gehörten in Ungarn zu irgendeiner Zunft. Ein Zusammenschluß mit Interessenvertretung kam zuerst in Pest in den 40-er Jahren des 19. Jahrhunderts zustande. Die erste systematische, gewerberechtliche Regelung findet sich in der provisorischen Gewerbeordnung vom Jahr 1851. Die 1860 in Kraft getretene, mit kaiserlichem Patent promulgierte Gewerbeordnung bestimmte, daß an die Stelle des Zunftsystems die Genossenschaften zu treten haben. Diese übernahmen zahlreiche Züge des Zunftsystems, obwohl sie im Geiste der Gewerbefreiheit ins Leben gerufen wurden. Die während der Wirksamkeit der Gewerbeordnung neugestaltete Organisation der Pester- und Ofner Zuckerbäcker löste sich kraft des ersten ungarischen Gewerbegesetzes (VIII. Gesetzartikel vom Jahr 1872) auf. Das Gesetz war bis zum Inkrafttreten des XVII. Gesetzartikels vom Jahre 1884 wirksam. Außer den erwähnten Gesetzen regelte auch das Munizipium der Hauptstadt Budapest in einem eigenen Statut von 1897 noch im besonderen einige Fragen hinsichtlich der Betreibung des Zuckerbäckergewerbes. 205