Póczy Klára: Forschungen in Aquincum 1969- 2002 (Aquincum Nostrum 2. Budapest, 2003)
5. Die neuen Ergebnisse der topographischen Forschungen - 5.4. Die Zivilstadt von Aquincum - 5.4.3. Baugeschichtliche Skizze der Zivilstadt (Paula Zsidi)
Das Zeitalter der Colonia (ab 194) Auch die neueren Forschungen stimmen dahingehend überein, daß der Zeitraum um die Wende des 2.-3. Jahrhunderts die intensivste Etappe des Ausbaus der Zivilstadt von Aquincum war, aus der die meisten baulichen Uberreste auf uns gekommen sind (PÓCZY 1970, 180-181; PÓCZY 1976/4, 44; T. NAGY 1973, 120; MÁRITY 1992, 67; ZSIDI 1997/1, 281; ZSIDI 2002/1). Die baulichen Veränderungen wurden von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Mit Erlangung des Ranges einer Kolonie erhielten Zivilstadt und frühere Canabae eine gemeinsame städtische Verwaltung, die Rangerhöhung galt also für beide Siedlungsteile (T. NAGY 1973, 125). Das ermöglichte es, einen Teil der Administration, so auch der städtischen Bautätigkeit, ins Gebiet der Militärstadt zu verlagern. 5 Das Gepräge der Zivilstadt änderte sich erneut, an die Stelle der früheren administrativen trat die Handelsfunktion (PÓCZY 1970, 191). Zur gleichen Zeit ist zu beobachten, daß mehr und mehr orientalische Handelsfamilien sich ansiedeln und immer größeren Einfluss im städtischen Magistrat gewinnen (MÓCSY 1975/1, 228-229; ALFÖLDY 1975, 149). Diese Veränderungen drückten auch dem architektonischen Antlitz der Zivilstadt ihren Stempel auf (ZSIDI 1997/1, 282; ZSIDI 2002/1). Die zahlreichen in den Colonia-Zeitraum zu setzenden Bauvorhaben wurden aller Wahrscheinlichkeit nach in mehreren Kampagnen realisiert. Neben der Erlangung des Colonia-Ranges dürfte auch die anschließend, im Jahre 214, erfolgte Grenzkorrektur (FITZ 2000/ 2, 160-161) eine auch in der Zivilstadt spürbare Baukonjunktur ausgelöst haben. Momentan scheint es, als hätte die großangelegte Bautätigkeit Mitte des 3. Jahrhunderts (z. B. macellum) den letzten größeren Aufschwung in der Baugeschichte der Colonia-Periode bedeutet (PÓCZY 1970, 180-181). 6 In der früheren Forschung, ehe die Ergebnisse der Stadtmauer-Ausgrabungen in den 1980er Jahren vorlagen, war man davon ausgegan5 Vgl. das Kapitel „Die canabae legionis" (5.3.1.). gen, daß die Stadt erst infolge der Erhebung zur Kolonie mit einer Mauer umgeben wurde (PÓCZY 1976/4, 44). Nach den Ausgrabungen änderte sich das und es wurde klar, daß Stadtmauer und Wehranlagen auf frühere Vorläufer zurückgehen (PÓCZY 1984/1, 20). Tatsache ist, daß die Stadtmauer im Colonia-Zeitalter einer bedeutenden Veränderung unterlag (ZSIDI 1990/ 2, 161-162). Mit Erlangung des Colonia-Ranges geriet die Wehrfunktion der Stadtmauer nach und nach in den Hintergrund (ZSIDI 1997/1, 282). Schon die aus der Zeit des Kaisers Septimius Severus stammende, aus der älteren Fachliteratur bekannte Bauinschrift hatte für die Möglichkeit eines eher repräsentativen Charakters der Stadtmauer gesprochen (T. NAGY 1973, 176). Eine weitere Schwächung der Wehrfunktion der Stadtmauer ist in der späten Phase der Severerzeit gleichzeitig mit der ostwestlichen Expansion der Stadt zu beobachten. Darauf deuten die Anbauten außerhalb des West- und Südabschnitts der Stadtmauer (PÓCZY 1984/1, 21), die auf die verfüllten Gräben gesetzten Gebäudefundamente am südwestlichen Stadtmauerabschnitt (ZSIDI 1995/1, 44-45) sowie die nicht abgeschlossene Verlängerung der nordöstlichen Mauerabschnitte in östlicher Richtung hin (ZSIDI 1990/2, 163; ZSIDI 1997/1, 282). Hinsichtlich der Gebiets struktur innerhalb der Stadtmauer hält Tibor Nagy ab diesem Zeitalter die Einteilung der Stadt in fünf Bezirke für nachweisbar (T. NAGY 1973, 122). Was das Straßennetz angeht setzen mehrere Forscher, wie zuvor schon erwähnt, die Anlegung des „insula-artigen Straßennetzes" (T. NAGY 1973, 119) bzw. „Insula-Systems der Stadt" (MÁRITY 1992, 67) erst in die Zeit der Severer. Zwar kann aus dem mit der Wende 2.-3. Jahrhundert beginnenden Zeitraum zweifellos ein aus schmalen (35x105 m) Insulae bestehendes System rekonstruiert werden (MÁRITY 6 O. Láng, Az aquincumi macellum ásatási anyagfeldolgozás és építészeti analógiák (az 1965. évi ásatás anyaga) [Das Aquincumer Macellum. Aufarbeitung des Grabungsmaterials und bauliche Analogien (Material der Grabung 1965)]. Diplomarbeit. ELTE Régészettudományi Intézet, Budapest, 2001, 118-136.