Budapest Régiségei 36. (2002) – In memoriam Rózsa Kalicz-Schreiber (1929-2001)

Gyulai Ferenc: Die Pflanzenreste eines spätbronzezeitlichen Röhrenbrunnens = Egy késő bronzkori kút növénymaradványai 305-311

BUDAPEST RÉGISÉGEI XXXVI. 2002. FERENC GYULAI DIE PFLANZENRESTE EINES SPÄTBRONZEZEITLICHEN RÖHRENBRUNNENS Die feuchten Standorte in Ungarn sind an pflanz­lichen Makroresten besonders reich. Die Zahl der aus der Naturumgebung stammenden Pflanzenarten ist im allgemeinen hoch, so dass man von der Bearbei­tung solcher Fundorte die Lösung der Fragen in Be­zug auf Umwelt und Klima erwarten darf. Als metho­dische Vorgeschichte der hier vorgelegten archäobo­tanischen Ergebnisse dient die Ausgrabung von Ró­zsa Kalicz-Schreiber im Jahre 1973 in Budapest-Cse­pel, Hollandi utca. In den Schlammproben der hiesi­gen Siedlung der Glockenbecher-Csepel-Gruppe fan­den sich 318 Samen von 16 Pflanzenarten. Die nasse Umgebung bewalirte die Samen und Früchte in aus­gezeichnetem Zustand auf. Daraus kann man auf das Niveau nicht nur des Pflanzenbaus, sondern auch der ehemaligen Naturumwelt schließen 1 . Bei der in Dunakeszi-Székesdűlő von László András Horváth, Gábor Szilas, Anna Endrődi und Attila Horváth durchgeführten Freilegung einer spät­bronzezeitlichen Siedlung kamen fünf Brunnen zu­tage: zwei Brunnen mit Geflechtkonstruktion, zwei bretterverschalte Brunnen und ein Röhrenbrunnen. Im Schlamm der Brunnen sammelte sich eine große Menge von organischen Resten an. Darunter enthielt das Objekt 315 die meisten Pflanzenfunde. In der Reihenfolge der Ausgrabung schlämmten wir die verschiedenen Schlammproben, zwecks Ver­meidung einer eventuellen Kontamination, mit flie­ßendem Wasser durch eine Siebserie (mit einer Loch­weite von 0,5 mm, 1,0 mm, 2,0 mm, 4,0 mm). Unter einem stereo-binokularen Mikroskop sonderten wir die in den Proben gefundenen Samen und Früchte von den sonstigen organischen und anorganischen Resten ab. Die Samen- und Früchtereste bestimmten wir - abhängig von ihrem Zustand - bis auf die ver­schiedenen botanischen Taxonen. Das bestimmte bo­tanische Material wurde in jedem Fall mit den in einer vergleichenden Samen- und Fruchtsamlung befindli­chen rezenten Samen und Früchten verglichen. Durch die nasse, sauerstoffreie Auffüllung des Brun­nens haben sich die organischen Reste in einem recht guten Zustand erhalten. Dank der sorgfältigen Sam­melarbeit und ScHämmung gilt dieser Fundort als einer der an natürlichen florenbildenden Arten reichsten (46 Arten!) Fundplätze im Karpatenbecken. 1 GYULAI 2002.20. Dies ist einer der frühesten, auch botanisch bearbeite­ten Brunnenfunde in Ungarn. Neben Getreide­pflanzen und Unkräutern gibt es eine Vielzahl aus der ehemaligen Naturumgebung stammender Arten. Ab­gesehen von einem Teil der Körnerfrüchte von Getrei­depflanzen und der Diasporen der zu ihnen gehören­den Unkräuter blieben die Samen und Früchte über­wiegend in nicht verkohltem sog. „subfossilem" Zus­tand erhalten, da sie sich kontinuierlich unter Wasser befanden. Die hier 2 vorgefundenen Getreidearten passen ih­rer Artzusammensetzung und ihrem Artverhältnis nach durchaus in die Reihe der an den ungarischen spätbronzezeitlichen Fundorten bislang bekannt ge­wordenen Kulturpflanzen. In der größten Menge tritt die Hirse auf, aber auch die Gerste kommt hier vor. Weiters kamen nur Kornfrüchte von Spelzweizen, wie Emmer und Einkorn, zum Vorschein, und zwar alle in gereinigtem, also zur Verwendung vorbereite­tem Zustand. Dies sind die Früchte von sesshaften, Pflanzenbau betreibenden Einwohnern. Die Arten der Halm- oder Winterfruchtunkrautge­sellschaft (Secalietea) deuten auf Winterfruchtgast­pflanzen (Weizen, eventuell Herbstgerste) hin: z.B. Ackertrespe (Bromus arvensis), Windenknöterich (Falopia convolvulus), gemeiner Erdrauch (Fumaria officinalis), Stoppelbescheidekraut (Stachys annua). Dies sind hochwüchsige Unkrautarten, die man mit der Sichel bei Zweidrittelhöhe des Strohhalms hätte ernten können. Von den Hack-/Sommerfruchtun­krautgesellschaften (Polygeno-Chenopodietalia) ist nur die grüne/Wirtelborstenhirse (Setaria viridis/ 'venHalla­ta) vertreten, was auf Sommergetreidearten, in erster Linie auf Hirse, eventuell Sommergerste oder Som­merweizen, hindeutet. Letztere kamen auch früher selten zur Aussaat, obwohl es mitunter vorkam. Die absolute Mehrzahl der Arten entstammte der ehemaligen Naturumgebung und war in gutem Zus­tand und in einer zur Umweltrekonstruktion geeig­neten Menge verfügbar. Die Rekonstruktion der ehe­maligen Pflanzengesellschaften ist jedoch ein sehr komplizierter und komplexer Vorgang. Fest steht, dass sich die Pflanzengesellschaften im Laufe der Zeit verändern. Schwierigkeiten bereitet auch, dass nicht alle Komponenten der ehemaligen Vegetation vorhan­2 GYULAI 2001 90. 305

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