Budapest Régiségei 36. (2002) – In memoriam Rózsa Kalicz-Schreiber (1929-2001)

Ruttkay, Elisabeth: Das endneolithische Hügelgrab von Neusidel am See, Burgenland : zweite Vorlage, Teil 1., Die Fazies Neusiedl = Egy későneolitikus halomsír Nezsiderből (Neusidel am See, Burgenland) 145-170

DAS ENDNEOLITHISCHE HÜGELGRAB VON NEUSIEDL AM SEE, BURGENLAND Das dritte Beigabengefäß, die zweihenkelige Am­phore, hier mit Besenstrichrauung, sonst unverziert, ist kein empfindlicher Datierungsbehelf. Die Am­phore gilt in der Forschung als Wasserbehälter/water jar (in der Funktion der früheren Butte), ihre weit ver­breitete Benützung hängt wahrscheinlich mit dieser Eigenschaft des Typs zusammen. Sie wurde breit­flächig und anscheinend zeitlich ungebunden benützt, wie János Dani unlängst überzeugend mit einer Am­phore, Grabbeigabe eines Körpergrabes von Vásáros­namény - Czine Miklós telke, zeigen konnte. 45 Für uns ist hier ausschlaggebend, dass die zweihenkelige Am­phore (die Henkel sind jeweils an der größten Bauch­weite gegenständig angebracht) in ihren zwei grund­legenden Varianten in der Jevisovice B-Schicht, der eponymen Fundstelle der gleichnamigen Kultur, be­legt ist. Die Variante A mit eiförmigem Körper, hier auch mit Besenstrichrauung, passt bestens zu unserem Beispiel von Neusiedl, während die Variante B mit ku­geligem Bauch hier nicht weiter interessiert. 46 Die zweihenkelige Amphore mit Besenstrichrau­hung lässt sich in unserem Arbeitsgebiet als Einzel­stück nicht verlässlich datieren (sie könnte der Jeviso­vice- oder der Kosihy-Caka-Formung angehören). Erst die Begleitfunde helfen, sie näher einzuordnen. Dieser Erfahrung folgend, wird hier als bestimmende Parallele der Amphore von Neusiedl - der durch den mit Furchenstich verzierten Krug bereits festgestell­ten Datierung des Grabes entsprechend - die eiför­mige, mit Besenstrich gerauhte Amphore aus Jevisovi­ce B angesprochen. 47 Den drei Beigabengefäßen (zwei Krügen und einer Amphore) des Primärgrabes aus dem Hügel von Neu­siedl am See-Kalvarienberg werden die verzierten, früher schon angeführten Vucedol-Schalen (Typ Lai­bach und Sarvas nach Korosec/Burger /Kulcsár) aus dem nördlichen und mittleren Burgenland und dem Rábaköz angeschlossen und als Fazies Neusiedl 48 zusammengefasst. Die Fazies Neusiedl dürfte sich auf 45 DANI 2001. Taf. 7/2 46 MEDUNOVÁ-BENESOVÁ 1972. Taf. 3/3 und Taf. 2/1. Vuce­dol-Gradac lieferte aus der Vucedol-Siedlung einige zweihenke­lige Amphoren (SCHMIDT 1945. Taf. 31/3, 4). N. Tasic publizierte solche, in die Vinkovci-Kultur datierte Stücke, von Ilok und Vrd­nik (TASIC 1984. Taf. 1/56; 3/5, 7). I. Bona konnte die beiden Vari­anten in Transdanubien flächendeckend für seine Somogy­vár-Gruppe nachweisen (BONA 1965. Fig 3). Zu den Amphoren (Typ A/3) der Somogyvár-Vinkovci-Siedlung von Börzönce präsentierte M. Bondár weitere zeitgleiche Parallelen (BONDÁR 1995. 211, Taf. 14/A3). In der wichtigen Darstellung über die Kosi­hy-Caka-Gruppe legte J. Vladár zahlreiche Beispiele von Am­phoren mit Besenstrich vor (VLADÁR 1966. Abb. 12/2; 13; 14/8; 24). A. Tocik zeigte in der monographischen Bearbeitung des zweiten namengebenden Fundortes Male Kosihy von der Flur Törökdomb ein Parallelstück, mit Siedlungskeramik verge­sellschaftet, als Foto (Rand wahrscheinlich ergänzt) (TOCIK 1981. Taf. 8/7). 47 MEDUNOVÁ-BENESOVÁ 1972. Taf. 3/3 einem einheimischen spätbadener Substrat fußend, bodenständig mit bedeutendem Vucedol-Einfluss aus­gebildet haben. Man könnte sie der Vucedol-Kultur zuzählen. Dafür spräche ihre Verzierungsgesinnung und ihre Absolutchronologie. 49 Aber bis uns keine ausreichende Materialbasis für die neue Fazies zur Verfügung steht, lässt sich dies nicht definitiv entschei­den. Zunächst ist sie mit ihrer mageren Typologie den Folgeerscheinungen (Somogyvár) verbunden. Die Fa­zies Neusiedl funktioniert räumlich als Bindeglied zwi­schen Jevisovice/Mödling-Zöbing und Vucedol Il/Ig I. Nach Osten zu schließen mit ihren Parallelen die Fun­dorte Győrszabadhegy und Gönyű (beide im Korn. Győr-Sopron) ein entlang der Rába bis Győr (Rábaköz) anschließendes Gebiet in der Karte mit ein (Figler 1994, Abb. 2. 22, 23). Fragmente von Vucedol-Schalen von Sé, Hidegség und Tét-Szarkavár könnten diesen zur Seite gestellt werden 50 (Abb. 6). Der Fazies Neusiedl geht die späte klassische Badener Kultur, Ossarn II (nach MAYER 1996) voran, deren tat­sächliche Endphase noch nicht erfasst werden konnte. Nachfolger ist die Kosihy-Caka/Makó-Gruppe (Kul­tur). Die Fazies Neusiedl ist auch Glied des „Spätäne­olithischen Kulturkomplexes" 51 und ist in das zweite Viertel des 3. vorchristlichen Jahrtausends zu datieren. 49 MARAN 1998. 354 50 KULCSÁR 1998-1999. Fundpunkte 32, 66, 72 51 Unter „Spätäneolithischer Kulturkomplex" soll verstanden wer­den, was I. BURGER (1988) in Anlehnung an J. Vladár definierte. In ihrer Gesamtkonzeption ist diese Arbeit auch heute noch gültig, bedarf aber mehrfacher Korrekturen, weil sich in den letzten Dezennien durch neue Forschungsergebnisse der damalige Forschungsstand wesentlich änderte. Besonders wichtig ist dabei, dass die Glieder der Stufe II von Burger unterschiedliche chro­nologische Wertigkeiten besitzen. Der Spätäneolithische Kul­turkomplex wird durch typologisch selbständige Kulturgruppen gebildet, die durch die Benützung der mit Inkrustierung innen­verzierten Vucedol-Schale miteinander verbunden sind: von Nie­derbayern (Cham) bis zum östlichen Karpatenbecken (Makó, Nyírség/Zatin), vom Erzgebirge (Rivnác) bis zum adriatischen Küstengebiet in der Bucht von Kotor (Kotor Fazies). 48 Fazies im Sinne Lünings (1976, 147) als eine lokale Ausformung einer Gruppe zu verstehen. Im vorliegenden Fall ist sie eine janusköpfige Fazies, vorderhand mit bescheidenen Nachweisen (kann daher keine Gruppe sein), die der Vucedol-Kultur, aber ebenso gut auch der Somogyvár-Kultur (Somogyvár-Vinkovci) zugerechnet werden kann. Ersteres wäre mit der Abstammung und Zeitgleichheit begründet, letzteres ist mehr an den Folgeer­scheinungen orientiert. - Die gleichzeitigen Schalennachweise aus der Steiermark und Kärnten nicht dazugerechnet. Für dieses Gebiet kann ein stärkerer Zusammenhang mit der slowenischen Vucedol H/Ig I-Formung vorausgesetzt werden (vielleicht sogar Identität). Die Schalennachweise stammen hier von Höhensied­lungen, die im Burgenland und Transdanubien fehlen. 151

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