Budapest Régiségei 30. (1993)

Harl, Ortolf: Die Stellung der Frau bei den einheimischen Stämmen Nordpannoniens : eine sozial- und kunstgeschichtliche Studie = A nő helyzete Észak-Pannónia bennszülött törzseinél 7-37

1er, Eravisker. An deren ungeschlachten Menhiren gingen bisher die auf das Schöne und Erhabene ge­richteten Altertumsforscher vorbei, weil sie ihnen zu häßlich und primitiv erschienen. Daß wir die Steine überhaupt kennenlernen können, verdanken wir einzig dem akademisch organisierten Sammeltrieb, der uns Die Grabsteine, um die es hier geht, verteilen sich auf ein relativ großes Gebiet, das sich vom Wiener Becken gegen Osten entlang der Donau bis ans Donauknie, nach Süden bis Intercisa und von dort in einer geraden Linie über den Plattensee zurück bis an den Alpen­ostrand erstreckt. In diesem Gebiet sind vom Beginn der Kaiserzeit an durch Inschriften die Stämme der 22 Boier, Azaler und Eravisker nachzuweisen. Auf den Grabsteinen selbst zeichnet sich genau in demselben Gebiet eine regionale Gliederung der einheimischen Frauentracht ab, die sich vor allem mit den Stämmen der Boier und Eravisker identifizieren läßt , während die Tracht der azalischen Frauen nicht diese Eigen­ständigkeit aufweist. Der kleine Stamm der Azaler ist insoferne als Sonderfall zu betrachten, da er auf Grund des Namensmaterials als illyrisch eingestuft wird. Nach Mócsy sei er ursprünglich in Südpanno­nien angesiedelt gewesen und als Folge des panno­nisch-dalmatischen Aufstandes der Jahre 6-9 n. Chr. von den Römern ans Donauufer übersiedelt worden, um dort als illyrischer Fremdkörper die keltischen Boier und Eravisker voneinander zu trennen. Wann und wie dieses Gebiet der Provinz Panno­nién einverleibt wurde, wird zwar noch immer disku­tiert, alle Indizien sprechen jedenfalls für seine fried­liche Eingliederung. Dobesch hat überzeugend herausgearbeitet, daß vor allem entlang der Donau der Übergang von der Unterwerfung bis zur endgül­tigen Ordnung der Gebiete durch eine lex provinciáé über viele Stufen und daher nahezu gleitend erfolgt sein muß, sodaß uns das Schweigen der Quellen nicht zu irritieren braucht. Wahrscheinlich haben die ein­heimischen Stämme Nordpannoniens deshalb ihre Existenz erhalten können, weil sie mit den Römern emfoedus abgeschlossen und sich während des bluti­gen (süd-) pannonischen Aufstandes (6-9 n. Chr.) neutral verhalten hatten. Eine römische „Aufsicht", die sich den lokalen Bedingungen anpasste und wenig in das einheimische Leben einmischte, erlaubte auch bei Verlust der außenpolitischen Aktionsfreiheit in­nenpolitischen Spielraum - und der scheint relativ groß gewesen zu sein. Unter Augustus durften die Eravisker ihre Münzen unter Anpassung an den Standard der römischen Denare weiterprägen, dem Anschein nach jedenfalls bis Caligula. Wie man sich die politischen Verhältnisse vorzu­stellen hat, ist vor allem bei Boiern und Azalern zu 28 • sehen. Diese erhielten nämlich nach der Mitte des 1. Jh. n. Chr. in L. Volcacius Primus einen praefectus bereits eine stattliche Anzahl von Bänden der Serien RIU und CSIR beschert hat. Trotzdem haben die ein­heimischen Grabsteine bisher nur bei den Namensfor­schern Aufmerksamkeit erregen können, die in ihnen einen willkommenes Bergwerk zum Schürfen von exo­21 tisch - einheimischen Personennamen sahen. ripae Danuvii et civitatium Boiorum etAzaliorumf* Da man den Aufgabenbereich eines solchen Präfekten nicht kennt, ist man nur auf Indizien angewiesen. Ei­nes der wichtigsten ist die Ritterkarriere dieses Man­nes aus Firmum Picenum, der seine très militiae erst unmittelbar vor seiner Präfektur an der Donau begon­nen hatte und zwar als Präfekt der cohors I Noricorum equitata, deren frühflavischer Standort in Brigetio ge­sucht wird. Nach seinem Dienst bei den Boiern und Azalern setzte er seinen Militärdienst als Tribun der legio V Macedonica und weiters als Präfekt der ala I Pannoniorurn in Nordafrica fort. Danach kehrte er in seine Heimatstadt zurück, um dort munizipale Ämter zu übernehmen. Der Mann durchlief also die Stan­dardkarriere eines Ritters und nichts deutet darauf hin, daß er jemals für Höheres ausersehen gewesen wäre. Wenn er während oder gleich nach seiner ersten militia einen „Aufsichtsposten" bei den Eingeborenen an der Donau innehatte, so konnte dieser kaum mehr als eine Routineangelegenheit gewesen sein: Boier und Azaler stellten also in flavischer Zeit und davor kein politisches oder militärisches Problem für die Reichsführung dar. Gleiches gilt auch für die spätere Zeit, da man um die Wende zum 2. Jh. den einheimi­schen Adligen die Leitung ijirer civitas in die Hände legen konnte. Daß die sich die Organisationsform der civitas zumindest bei den Eraviskern lange hielt, zeigen ein tab(ularius) civitatis ) Er(aviscorum) und ein Altar aus der Zeit des Kaisers Philippus Arabs, der pro salute et incolumitate civitatis Eraviscorum auf­-l-l gestellt worden war. Man darf also davon ausgehen, daß sich die drei einheimischen Stämme in Nordpannonien von Anfang an völlig mit den Römern identifizierten. So bestätigt sich immer wieder die Ansicht von A. Mócsy, daß es keine innenpolitischen Gründe für eine militärische Besetzung Nordpannoniens gegeben hat und daß die im 1. Jh. sichtbare Verlagerung der militärischen Schwerpunkte von Südpannonien an die Donau rein aus außenpolitischen Motiven erfolgt sein mußte : Die sich anbahnende Konfrontation mit Germanen und Sarmaten führte dazu, daß die einheimischen Stämme entlang der Donau den Bau von gegen äußere Feinde gerichteten Festungen (Carnuntum, Arrabona, Brigetio, Aquincum) und von römischen Fernstraßen, der Bernsteinstraße und der Verbindungen nach Ar­rabona sowie Aquincum hinnehmen mußten. Vorrömische Stammesgruppierungen, die ihren friedlichen Weg ins römische Reich fanden, konnten Die einheimischen Stämme Nordpannoniens 9

Next

/
Thumbnails
Contents