Budapest Régiségei 26. (1984)

TANULMÁNYOK - Michna, Pavel J.: Gotische Kachelin aus Burg Melice in Mähren = Gótikus kályhacsempék a morvaországi Melice várából : in memoriam Jan Zhánel 87-110

aus Burg Tocník, Zebrák, Valdek und Lichnice. Al­le diese Funde sind jedoch unglasiert, tragen also keine Glasur, wie die Kacheln aus BurgMelice. Zeitlich stellen wir sie in das Ende des 14. bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts, das ist in die Zeit des Luxemburgers Sieg­mund. Zur Ansicht über die ungarische Provenienz der Kacheln aus Burg Melice kam die genannte Autorin nach Wertung der Lage, die in den Jahren 1400-1420 auf dem Gebiet der Baukunst in Böhmen eingetreten war. Führende Baumeister, deren Kunst in der St.-Veit's­Hütte Peter Parlers reif geworden war, fingen unter Wenzel IV. an auch außerhalb Prags zu arbeiten. Der Bereich der Interessenten, der sich früher auf die nächste Umgebung des Prager Hofes und der Günstlinge des Königs beschränkt hatte, weitete sich aus. Nach dem Jahr 1400 kommt es aber zu einem Rückgang der Bau­hüttentätigkeit; man beginnt auch bei Bürgern und im Ausland Betätigung zu suchen. Ein Teil der Meister geht nach Ungarn, wo sie am Hofe des Kaisers und un­garischen Königs Betätigung finden. Nach Ausbruch der hussitischen Revolution kommt die Bautätigkeit in den Böhmischen Ländern praktisch zum Stillstand. Die Bedeutung der Budaer Töpferwerkstätten zu Siegmunds Zeiten für die keramische, vor allem Kachel­produktion Mährens kann man im allgemeinen ohne wei­teres konzedieren. Schwieriger ist natürlich die Beant­wortung der konkreten Frage nach der Herkunft der exklusiven Kollektion aus Burg Melice. Zweifellos ist vorauszusetzen, daß diese hervorragenden Erzeugnisse nicht von durchschnittlichen Handwerkern entworfen und hergestellt wurden, deren Schaffen den üblichen Bedarf des Kleinadels und Bürgertums zu decken hatte. Dafür spricht schon die Tatsache, daß es bisher nicht gelungen ist, irgendwo ebenso vollendete Originalstücke oder wenigstens Repliken bzw. Kopien zu entdecken; sicherlich handelte es sich um Entwürfe eines der führen­den Kunsthandwerker der Zeit, die auf Bestellung eines so prominenten Abnehmers ausgeführt wurden, wie ihn der Olmützer Bischof vorstellte. Zur Herstellung der Modelle und fertigen Kacheln mußten Handwerker aus einem der damaligen Kunstzentren Böhmens oder Mäh­rens berufen worden sein. Das Milieu des Budaer Hofes war es wohl kaum : dies geht aus den politischen Verhält­nissen und der Spannung hervor, die zwischen den könig­lichen Brüdern Wenzel und Siegmund herrschte. Der Bauherr und Besteller des Melicer Ofens, Wenzel Králík von Bufenice, damals noch Probst zu Wischehrad und Kanzler des Königreiches Böhmens, stand in den dynas­tischen Stürmen treu an der Seite seines Königs, was ihm übrigens den Spitznamen Králík (kleiner König=Kanin­chen) eintrug. Als Wenzel IV. in Wien eingekerkert war, weilte Králík in Mähren und arbeitete hier für die befrei­ung seines Herrschers. 22 Mit Králíks feindseliger Haltung gegen Siegmund läßt sich auch jene unerhörte Verbrei­tung des Hussitentums in Mähren und sogar in Olmütz selbst erklären, wo in der St.-Wenzels-Kathedrale schon im Jahr 1417 unter stiller Zustimmung des Bischofs hus­sitische Messen gelesen wurden. Wenn er Hussens An­hänger verfolgt hätte, wäre dies einer indirekten Unter­stützung und Stärkung der Partei Siegmunds gleichge­kommen. 23 Nach dem heutigen Stand der Forschungen darf man feststellen, daß Wenzel von Bufenice wohl kaum Künstler aus Ungarn zur Innenausstattung seiner Burg berufen hat. Offenbar ist die Herkunft des Entwurfs der durchbrochenen Kacheln aus Melice irgendwo in Böh­men, am ehesten in Prag selbst zu suchen. Trotzdem läßt sich ein Einfluß der Budaer Hofmilieus nicht a priori ausschließen; ein wichtiges Indiz für einen solchen Ein­fluß ist nämlich der bereits erwähnte, auf die Anschau­ung der Anjouschen Bauhütte zurückgehende Grundriß der Burg Melice. Die unbestreitbare Bedeutung des Bu­daer Königssitzes für die höfische Kunst Mitteleuropas im 14. und 15. Jahrhundert wurde in der letzten Zeit durch den Fund einer Serie gotischer Figurenplastiken unterstrichen, deren künstlerisches Niveau alle bisher be­kannten Analogien übertrifft. 24 Ich setze deshalb voraus, daß nicht einmal Mähren sich den kulturellen Ausstrah­lungen des Budaer Zentrums entzogen hat. Auf den besprochenen Ofenkacheln begegnet man am häufigsten dem Parlerschen Motiv der zentralen Gruppie­rung dreier Elemente, wie es das Maßwerk der Schluß­stücke zu St. Veit präsentiert. 25 Aber nicht nur in monu­mentalen Zügen sind Elemente der Parlerschen Bauhütte festzustellen; ein Inventarbestandteil der St .-Wenzels­Kapelle ist das schmiedeeiserne vergoldete Pastopho­rium, in dessen durchbrochenem Dekor man Varianten erkennt, die den Motiven der Melicer Kacheln auffallend nahestehen. Auch die im Jahr 1541 vernichteten Chor­bänke im Dom waren das Werk der Parlerschen „Junker". Sie beweisen anschaulich, daß Parlers Können nicht nur die hohe, sondern auch die angewandte Kunst umfass­te. 26 Die Einheit des Küntlers und Handwerkers war für jene Zeit typisch, sie kannte keine Unterschiede des bil­denden Schaffens. So wie der gotische Künstler die gewaltigen Rosetten der Kathedrale entworfen hatte, konzipierte er auch ihre architektonischen Verkleinerungen; das eiserne Pasto­phorium und die zarten Rosetten der Ofenkacheln auf Burg Melice. Und die Behauptung wird wohl glaubhaft erscheinen, der Inhaber des reichsten Bistums im Kö­nigreich Böhmen, Wenzel von Bufenice, habe die Ent­würfe und Modelle der durchbrochenen Ofenkacheln für seine Burg Melice aller Wahrscheinlichkeit nach bei Handwerkern der Bauhütte des Luxemburgers Wenzels IV. bestellt, ob sie nun in Prag, Olmütz, Kremsier oder wo auch immer tätig waren. Die Herstellung der Melicer Kacheln Wenn wir von Anteil der Prager Bauhütte Wenzels IV. am Projekt der Melicer Kacheln sprechen, betrifft das vor allem die Nischenkacheln, eventuell auch die Er­gänzungskacheln, Krönungs- und Belagtafeln. Während die Verwendung identischer künstlerischer und dekorati­ver Prinzipien bei den Typen 10 bis 17 auf denselben Autor hinweist (Lilien, Nasen, Eselsrücken, rosetten­tragende kleine Seitenpfeiler usw.), signalisiert der Dekor und die Ausführung der Reliefs an den Stirnflä­chen der übrigen Kacheln verschiedene Urheber, die sich 91

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