Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl entscheidenden Vorteil gegenüber einer zentralen Hofwagenproduktionsstätte darstellte, würde weitgehend ausgeschaltet, wenn erwogen wird, daß aus der zahlreichen Zunft der Sattler nur zwei, höchstens drei Meister das Vorrecht, fur den Allerhöchsten Hof zu arbeiten, genießen, alle übrigen, vom Staate mit gleichen Rechten versehene, oft vielleicht weit geschicktere Meister, hievon aber ausgeschlossen seien.61 Die Unzufriedenheit mit der bisherigen Weise der Anschaffung und Reparatur von Hofequipagen führte schließlich zu einer kompletten Systemänderung, von der man im Oberststallmeisteramt für die Zukunft nicht nur qualitätvollere Arbeiten erhoffte, sondern auch Einsparungen von jährlich mindestens 25 000 fl. C.M.62 5. Die Reform der Hofsattlerei und die Wagenherstellung in der Hofwerkstätte Zu Beginn des Jahres 1820 wurde eine umfassende Reform der Hofsattlerei in Angriff genommen. Angesichts der enormen Kompetenzausweitung der Hofwerkstätte könnte man von einer Neugründung sprechen: Die bislang bestandene „Flicksattlerei“ wurde zu einer Großwerkstätte umgestaltet, in der nun nicht mehr bloß unbedeutende Ausbesserungsarbeiten durchgeführt, sondern Fahrzeuge samt Zubehör repariert und neue Wägen hergestellt werden sollten. Die mit Hoftitel versehenen Sattlermeister Jacob Hell und Johann Paula sowie die Hofschlossermeisterswitwe Katharina Stübler, erhielten am 19. Februar 1820 seitens des Oberststallmeisteramtes die für sie überraschende Weisung, ihre Arbeitsplätze in der Hofsattlerei am Josephsplatz binnen zwei Tagen zu räumen. Bereits begonnene Reparaturarbeiten sollten sie in ihren eigenen Werkstätten fertig stellen. Sie wurden informiert, dass von nun an die am Hof angestellten Sattler- und Hofwagner und als solcher, so wie seine Nachkommen unter dem Namen Moser, mit der diesfalligen Hofarbeit bis zum Jahre 1762 beteilt, in welchem Jahre eine gebome Moser einen Johann Paul Herzog heiratete, auf den gleichfalls die Hofwagnerarbeiten übergingen. Herzogs Erfindung eines Wagens, der nicht umwerfen konnte, erregte allgemeines Aufsehen, und Seine Majestät, der Kaiser Franz, und Ihre Majestät, die Kaiserin Maria Theresia, erhoben ihn nach seiner ersten Probefahrt mit seinem Wagen in den österreichischen Adelsstand und erteilten ihm noch überdies die große goldene Zivil-Ehrenmedaille. Im Jahre 1769 wurde mein Großvater Franz Moser Hof- und Diligencewagner, dessen Tochter heiratete einen Caspar Berthold, welcher bis zu seinem Tode 1830 k. k. Hofwagner war. Wegen Mindeijährigkeit meines Vaters bei dem Tode meines Großvaters im Jahre 1789 erhielt einstweilen mein Oheim Jakob Kautzner die Hofwagnersstelle, der sie aber, ungeachtet mein Vater im Jahre 1798 Bürger und Meister wurde, ihm nicht mehr abtrat.“ Joseph Moser an Oberststallmeister Wrbna, Wien 1842 September 1, HHStA, OStA, B, 74, ZI. 3 825 aus 1842, unfol. Zu Moser siehe auch Döberl: Die Kutschen der Kaiser, S. 153-155. 61 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Prag 1820 Mai 20, HHStA, OStA, C, 111, ZI. 1 174 aus 1834, unfol. 62 Oberststallmeister Trauttmansdorff an die Hofkanzlei, Wien 1820 November 27, HHStA, OStA, B, 29, ZI. 801 aus 1820, unfol. 128

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