Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)

DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Mario Döberl Während des Kongresses, der letztlich wesentlich länger als geplant dauerte, wurden das Personal des Oberststallmeisterstabes, die Pferde und die Hofwägen intensiv beansprucht. Dennoch hätten Mensch, Tier und Fahrzeugmaterial diese Belastungsprobe bestens bestanden, so der Oberststallmeister: Die täglich eingelaufenen Rapporte weisen mehr als 38 000 Dienstfuhren aus, welche die k. k. Hofställe auf schriftliches Begehren leisteten, ohne die beträchtliche Anzahl derjenigen, welche auf mündliches Begehren gegeben und nicht vorgemerkt wurden. Dieselben Wägen, dieselben Pferde mußten oft viermal des Tags zur Dienstleistung verwendet werden. Auch acht Monate bei Tag und Nacht ununterbrochen angestrengter Dienstleistung hörte ich nie eine Beschwerde; sowohl die hohen fremden Herrschaften selbst, als auch ihr Gefolge äußerte stets die vollkommenste Zufriedenheit mit Dienerschaft und Equipagen; schon dadurch war der Zweck der diesfallig gemachten Auslagen zum Teil erreicht.41 Manche während des Wiener Kongresses abgehaltene Feierlichkeiten verlangten weitere, mit gewaltigen Kosten verbundene Anschaffungen seitens des Oberststallmeisteramtes. Dazu zählten ein am 23. November 1814 in der Winterreitschule stattgefundenes Karussell, das aufgrund des großen Erfolges wiederholt wurde,42 und eine am 22. Jänner 1815 veranstaltete Hofschlittenfahrt, für die in kürzester Zeit insgesamt 28 Schlitten hergestellt werden mussten. Unter diesen ragten zwei aufwendig gestaltete so genannte „Imperialschlitten“ und zwei so genannte „Königsschlitten“ heraus; erstere waren für die Kaiser von Österreich und Russland, letztere für die Könige von Dänemark und Preußen vorgesehen.43 Zum Teil musste für die Schlitten auch neue Pferdegeschirre samt Zubehör - wie etwa 14 000 feuervergoldete Schellen - angeschafft werden; darüber hinaus galt es auch passende Uniformen und Livreen zu besorgen.44 Die Ausgaben für die Schlittenfahrt beliefen sich auf insgesamt 338 907 fl. 4 kr.45 Wesentlich kostengünstiger war eine mehrere Wochen später veranstaltete Pirutschfahrt, weil 41 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Mailand 1816 Jänner 8, HHStA, OStA, C, 102, ZI. 130 aus 1816, unfol. 42 Kandier, Manfred: Die Feste des Kongresses. In: Der Wiener Kongreß. 1. September 1814 - 9. Juni 1815. Ausstellungskatalog, Wien, Hofburg, 1965, S. 247-272, hier S. 250-252, 260 f.; HHStA, OStA, B, 12, ZI. 1 848 aus 1814, fol. 200r-238v. 43 Oberststallmeisteramt, Wien 1814 Dezember 25, HHStA, OStA, C, 101, ZI. 2 189 aus 1814, unfol.; Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Wien 1815 März 5, HHStA, OStA, C, 101, ZI. 405 aus 1815, unfol. Stiche der Wiener Kongreßschlitten entfalteten eine große Breitenwirkung, die von München bis nach London reichte. Siehe dazu Wackernagel, Rudolf H. (Hrsg.): Staats- und Galawagen der Wittelsbacher. Kutschen, Schlitten und Sänfte aus dem Marstallmuseum Schloß Nymphenburg, Bd. 1-2. Stuttgart 2002, Bd. 1, S. 157 f., 167 f., Bd. 2, S. 165 f., 176-178. 44 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz 1., Wien 1815 März 5, HHStA, OStA, C, 101, ZI. 405 aus 1815, unfol. 45 Oberststallmeister Trauttmansdorff an Kaiser Franz I., Wien 1815 Februar 15, HHStA, OStA, C, 101, ZI. 267 aus 1815, unfol. Die detaillierten Abrechnungen der zahlreichen an den Vorbereitungen beteiligten Handwerker sind zu finden in: HHStA, OStA, C, 19, unfol. Zur Schlittenfahrt siehe auch Kandier: Die Feste des Kongresses, S. 256 f., 261; Gewey : Briefe des neu angekommenen Eipeldauers, Heft 4(1815), S. 11-18. 124

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