Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 52. (2007)
DÖBERL, Mario: Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
Gegner einer hofeigenen Produktionsstätte für Fahrzeuge gaben indes zu bedenken, dass eine voll funktionsfähige Hofsattlerei nicht nur die ständige Bezahlung von zahlreichen Fachleuten verlange, sondern dieselben auch noch im Ruhestand mit einer Pension versehen werden müssten; im Todesfall seien darüber hinaus ihre Witwen und Waisen zu versorgen. Es käme deshalb weit billiger, auswärtige Handwerker von Fall zu Fall mit Arbeiten zu beauftragen. 2. Auf welche Weise konnte man am ehesten zu sicheren Fahrzeugen gelangen? Das Risiko von Unfällen aufgrund von Konstruktionsmängeln und Materialfehler musste möglichst gering gehalten werden. Es war deshalb von größter Wichtigkeit, dass die Hofwägen sorgfältig und solide gearbeitet waren. Aus diesem Grund war es für den Hof unabdingbar, die einzelnen Bestandteile vor ihrem Einbau auf Schäden untersuchen zu können. Während ständige Kontrollen und zerstörungsfreie Werkstoffprüfüngen in der Hofsattlerei recht einfach zu bewerkstelligen waren, konnte dies in den Werkstätten von bürgerlichen Meistern nur unter großen Schwierigkeiten durchgeführt werden. Andererseits war fraglich, ob durch den Einsatz von in den Hofwerkstätten erzeugten Fahrzeugen die Unfallgefahr tatsächlich gesenkt werden könnte. 3. Welche Beschaffungsweise garantierte Fahrzeuge, die den hohen ästhetischen Ansprüchen des Kaiserhauses genügten? Das Dekorum des Hofes verlangte formschöne Wägen, wobei es unterschiedliche Auffassungen darüber gab, ob es besser sei, die rasch wechselnden Wagenmoden mit zu vollziehen oder zeitlos wirkendem Design den Vorzug zu geben. Die Ansprüche waren auch deshalb sehr hoch, weil sich die Hofwägen zuweilen bei internationalen Konferenzen mit den Fahrzeugen ausländischer Herrscher messen mussten und auch auf den Straßen Wiens Tag für Tag den Vergleich mit den Equipagen adeliger Häuser standzuhalten hatten.3 Von mancher Seite wurde bezweifelt, ob die Hofsattlerei imstande sei, Wägen der gewünschten Qualitätsstufe herzustellen. Wichtig war weiters, ein einheitliches Aussehen der Hoffahrzeuge zu gewährleisten, was wiederum für die Hofsattlerei und gegen unterschiedliche Hoflieferanten sprach. Hofequipagen mussten auf ersten Blick als solche erkennbar sein, da sie auf den Straßen Wiens ein Aushängeschild des Kaiserhauses darstellten. Ziel des vorliegenden Aufsatzes soll es sein, darzulegen, welche Antworten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Wiener Hof auf die oben erörterten Fragen Höfisch oder privat? Die Beschaffung und Wartung von Wägen am Wiener Kaiserhof 3 Der k. k. Feldbereiter Johann Stöckel erwähnte im Jahr 1808 in seiner Bewerbung für die Stelle des Hofequipagen-lnspektors: „Endlich in Ansehung des Wagenbaues, so ist es allbekannt, daß in Wien eine Menge Kavaliers und reiche Privaten, [...] Wägen besitzen, die es in der Güte und Proportion des Baues mit allen Hofwägen aufnehmen“. Johann Stöckel, HHStA, OStA, C, 100, ZI. 269 aus 1808, unfol. 115