Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 51. (2004)

DEUSCH, Engelbert: Ein Versuch die österreichische Protektion auf das Fürstentum Montenegro auszudehnen

Engelbert Deusch Im Befreiungskriege, der bis zum Jahre 1812 mit wechselndem Glücke dauerte, verhielt sich Österreich vollständig passiv, während Rußland immer tiefer in die Geschicke des Landes eingriff. Die letzten Jahre sehen wir, wie ein russisches Hilfs-Corps mit den Serben vereint gegen den gemeinschaftlichen Feind - die Türken - kämpft. Durch den 8. Artikel des Vertrags von Bukarest wird Serbien von russischen Truppen geräumt, und obgleich man sich von Seite Russlands für Serbien bei der Pforte verwendete, nichtsdestoweniger der Rache der Osmanen preisgegeben. Bei diesem Anlasse scheint es uns, als ob das österreichische Kabinett durch das Zusammentreffen von Umständen dringend aufgefordert worden wäre, werktätig in Serbien einzuschreiten, um so mehr, als damals im österreichischen Auxiliar-Corps unter Fürst Schwarzenberg15 dem Adler Napoleons gegen Rußland zur Seite stand. Anstatt aber Kara Georg und den Serben Unterstützung zu gewähren, nahm Österreich den nach verschiedenen Niederlagen auf österreichisches Territorium Geflüchteten gefangen, und behielt ihn als solchen in Graz bis 1814. Die Verwendung Rußlands gibt seinem General-Leutnant Kara Georg wieder die Freiheit, der, von Seite der russischen Regierung mit Auszeichnung behandelt und unterstützt, bis zum Jahre 1817 in diesem Lande lebte und bei einem Versuche in sein Vaterland zurückzukehren, als ein Opfer des Ehrgeizes der Familie Obrenovics fiel. Es scheint, als ob man von Seite der damaligen Staatsmänner Österreichs Serbien gänzlich aufgeben wollte, nur als einen vorgeschobenen Posten Rußlands betrachtete. Man schloß sich so zu sagen hermetisch gegen dieses Land ab, verbot die in serbischer Sprache geschriebene Belgrader Zeitung, so wie alle auf den Befreiungskrieg bezug nehmenden Bücher. Von 1827 angefangen, drängen sich die wichtigsten Ereignisse für die Neu-Serbische Geschichte rasch aneinander. In diesem Jahre wird Milosch16 Fürst von Serbien und im Adrianopler Frieden vom Jahre 1829 wird durch Rußland die staatsrechtliche Anerkennung des vorhandenen Fait accompli seiner Befreiung durchgesetzt, im Jahre 1830 erfolgt die Bestätigung der Erblichkeit der Fürsten würde in der Familie Obrenovics von Seite der Pforte. Während Rußland durch die kräftige Unterstützung der Interessen Serbiens nur seine eigenen förderte, da es nicht nur in der ganzen Türkei sondern auch bei allen Südslaven Österreichs eine unbezweifelte gefährliche Popularität gewann, beachtete die österreichische Regierung die Tragweite dieser Verhältnisse wenig und schien erst im Jahre 1836 durch die Absendung eines Konsuls nach Belgrad wieder einigen Einfluß auf dieses Land erringen zu wollen. Was aber um so schwerer werden mußte, als man es ruhig geschehen ließ, daß Fürst Milosch die Aufstellung eines eigenen Metropoliten für Serbien durchsetzte, wodurch der österreichische Einfluß auf einen großen Teil des orthodoxen Klerus jener Gegenden verloren ging, weil letzterer vorher in Karlowitz die Priesterweihe erhielt und dadurch an das österreichische Interesse gefesselt war. 15 Schwarzenberg, Karl Philipp Fürst (1771-1820), österreichischer Feldmarschall (1813), nahm an den Französischen Revolutionskriegen und den Napoleonischen Kriegen teil. Später war er kurze Zeit Botschafter in Russland und in Paris (1809), 1812 Kommandant des österreichischen Korps in der Armee Napoleons gegen Russland, 1813 Kommandant der Hauptarmee der Verbündeten in der Völkerschlacht bei Leipzig, zog 1814 an der Spitze des Heeres in Paris ein; dann wurde er Präsident des Hofkriegsrates; nach der Rückkehr Napoleons befehligte er die Armee der Verbündeten am Oberrhein. Der Grosse Brockhaus Wiesbaden 1956, 16. Aufl., 10. Bd., S. 535. 16 Milos Obrenovic (1780-1860), als Anführer des Aufstandes bzw. Fürst von Serbien 1815-39; 1858-60 wurde Stammvater der Dynatie Obrenovic. 144

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