Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

AUGUSTYNOWICZ, Christoph: „Ablegations-negocien von keiner erhöblichkeit“? – Wirken und Wirkung der Moskauer Großgesandtschaft in Wien 1687

Christoph Augustynowicz derlich, dass vom Hofkammerpräsidenten Wolfgang Andreas Graf Orsini von Ro­senberg Bedenken geäußert wurden, ob die Effizienz der kaiserlichen Russlandpoli­tik nicht zu wünschen übrig lasse.88 Die Untersuchungen über das Wirken der Moskauer Großgesandtschaft in Wien 1687 haben gezeigt, dass der Friede mit Polen-Litauen den Moskauer Staat zwar endgültig in ein Problem involvierte, das weite Teile Europas betraf. Er wurde je­doch nicht in das Bündnissystem der Heiligen Liga integriert: Die Mitglieder der Liga fürchteten, in weitere, ihren Interessen letztlich fremde Konflikte involviert zu werden.89 Abgesehen davon waren die Moskauer diplomatischen Gepflogenheiten noch zu fremd und somit das Potenzial für Missverständnisse zu groß. Der Friede von Moskau hatte aber die indirekte Beteiligung des Moskauer Staates an einer europäischen Koalition und die Anbindung der Moskauer Diplomatie an das polnisch-litauische und das westliche System zur Folge. Der Moskauer Staat hat unbestritten einen bilateralen Vertrag mit einem Mitglied der Heiligen Liga abge­schlossen. Volkovs Mission nach Venedig hatte die nachhaltige Stabilisierung der diplomatischen Beziehungen und die Belebung des Informationsflusses zwischen dem Moskauer Staat und der Serenissima zur Folge.90 Auch der zweite Krim- Feldzug 1689 scheiterte und führte sogar unmittelbar zum Sturz Sofijas und Goli- cyns.91 Dennoch erwies er sich als propagandistisches Mittel wertvoll, um den Mos­kauer Staat in die europäische Diplomatie einzubringen.92 Besonders in der sowjeti­schen Historiographie wurde durchaus fundiert versucht, diesen zweiten Krim- Feldzug als Formalakt darzustellen, der nur auf die Erfüllung des Moskauer Frie­dens, nicht aber auf militärische Erfolge abzielte. Konnten Golicyns Detailerfolge in Polen-Litauen auch wenig Eindruck machen, so waren die beiden Krim-Feldzüge doch ein deutlich wahrnehmbares Zeichen der außenpolitischen Neuorientierung des Moskauer Staates.93 Insbesondere am Kaiser­hof wurden die Unternehmen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Kaiserliche Streitkräfte wurden durch den zweiten Krim-Feldzug merklich entlastet, die in Es sei zu prüfen, „ob es gleichwohl für die mühe stunde oder pro salute patriae währe, Euer Kayl. Mayt. In so grosse speesen zu verlernten“, Orsini von Rosenberg an Leopold 1. Wien 1688 Dezem­ber 29, HKA Wien, Reichsakten, Kart. 169, Nr. 131, 341. 89 Durch den Tod Papst Innozenz* XL, eines der wesentlichen Initiatoren der Liga, verlor diese 1689 eine ihrer wichtigsten Stützen; zu seinem Tod vgl. Papasogli, Giorgio: Innocenzo XL (1611 — 1689). Sommo Pontefice deal 1676 al 1689 elevato all’onore degli Altari nel 1956. Roma 1956, S. 387-398. 90 Das häufig diskutierte Problem, ob der Moskauer Friede von 1686 den Beitritt des Moskauer Staates zur Heiligen Liga bedeutet hat, wird relativ differenziert behandelt von Kaminski: Republic. S. 73; zu den Beziehungen Moskaus zu Venedig siehe O'Brien: Two Tsars. S. 104. 91 Zernack, Klaus: Die Expansion des Moskauer Reiches nach Westen, Süden und Osten von 1648- 1689, in: Handbuch der Geschichte Rußlands, Bd. 2,1. Stuttgart 1986, S. 123-152, hier S. 149. 92 S mith: Golitsyn. S. 137-139. 93 B abuSkina : Znacenie. S. 158. 62

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