Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium
AUGUSTYNOWICZ, Christoph: „Ablegations-negocien von keiner erhöblichkeit“? – Wirken und Wirkung der Moskauer Großgesandtschaft in Wien 1687
tórium konfrontiert und nicht zuletzt dadurch zur Öffnung und Umgestaltung veranlasst.3 Die diplomatischen Beziehungen des Moskauer Staates zu den europäischen Großmächten des 17. Jahrhunderts waren von der Bemühung bestimmt, die eigene Isolation zu überwinden. Obwohl der Moskauer Staat während des 16. und 17. Jahrhunderts keineswegs gänzlich von der diplomatischen Bühne Europas abgeschnitten gewesen war, blieben die Beziehungen dennoch sehr stark bilateral ausgerichtet. Der Staat war daher zwar nicht isoliert, hatte aber vornehmlich Kontakte mit den unmittelbaren Nachbarn gepflegt.4 Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die diplomatischen Beziehungen im Sinne einer Einbindung in das europäische Mächtesystem und einer Umgestaltung des Landes nach europäischem Vorbild verdichtet. Grund dafür waren die Eindrücke, welche die Auseinandersetzungen zwischen Polen-Litauen, Schweden und dem Moskauer Staat in den Fünfzigerjahren hinterlassen hatten. Bis zur initiativeren Neuorientierung unter der Regentin Sofija Alekseevna (1682-1689) lässt sich die russische Außenpolitik des 17. Jahrhunderts daher durch folgende drei Faktoren kennzeichnen: 1) Der Niedergang der Vormachtstellung Polen-Litauens seit etwa 1650 zu Gunsten des Moskauer Staates, der „nicht länger eine quantité négligeable im europäischen Kräftespiel“5 darstellte. Christoph Augustynowicz ’ Zur grundlegenden Bedeutung des Moskauer Friedens für die nachfolgende Entwicklung vgl. etwa W i 11 r a m, Reinhard: Peter I. Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit. 1. Band, Göttingen 1964, S. 28-29. Bezüglich Einzeldarstellungen zu diplomatischen Beziehungen kann hier nur auf jüngere Monographien eingegangen werden; aus polnischer Sicht Zbigniew, Wójcik: Dyplomacja polska w okresie wojen drugiej poowy XVII wieku (1648-1699), in: Historia dyplomacji polskiej. Tom 2: 1572-1795. Warszawa 1982, S. 163-330 mit weiterführender Literatur; auch die Rolle des Osmanischen Reiches behandelt Zbigniew, Wójcik: From the Peace of Oliwa to the Truce of Bakhchisarai, in: Acta Poloniae Historica 34 (1976), S. 255-280; die schwedischrussischen Beziehungen des 17. Jahrhunderts fanden auch in der deutschsprachigen Historiographie Beachtung; hier wurden vor allem ausgewertet Zernack, Klaus: Studien zu den schwedischrussischen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Gießen 1958; Troebst, Stefan; Handelskontrolle - „Derivation“ - Eindämmung. Schwedische Moskaupolitik 1617-1661. Wiesbaden 1997 ^Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts München Reihe Forschungen zum Ostseeraum 2); die kaiserlich-russischen Beziehungen sind bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts dargestellt von Uebersberger, Hans: Österreich und Rußland seit dem Ende des 15. Jahrhunderts, Bd. 1 (1488-1605). Wien - Leipzig 1906; L e i t s c h , Walter: Moskau und die Politik des Kaiserhofes im XVII. Jahrhundert. 1. Teil: 1604-1654. Graz - Köln 1960 (=Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 4). 4 Hughes, Lindsey: Sophia. Regent of Russia 1657-1704. New Haven 1990 S. 179; in diesem Zusammenhang wird die Bedeutung deutlich, die dem Heiligen Römischen Reich und dem Kaiser beim Ausbau der Beziehungen Moskaus zum Westen zukamen. Bittner, Ludwig/Groß, Lothar (Hrsg.): Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfählischen Frieden. Bd. 1 (1648-1715). Oldenburg 1936, S. 11, S. 431-438, S. 447; von 1655 bis zum Ende des Jahrhunderts waren 16 kaiserliche Gesandtschaften in Moskau und 20 russische am Kaiserhof; außer den unmittelbaren Nachbarn hatten im gleichen Zeitraum lediglich Brandenburg und Dänemark (19 bzw. 13 Moskauer Gesandtschaften) vergleichbar dichte Beziehungen mit dem Moskauer Staat; in England wirkten 13, in den Niederlanden 11, in Frankreich 7 und in Spanien 5 Gesandtschaften. 5 Zernack: Studien. S. 67. 44