Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 50. (2003) - 200 Jahre Russisches Außenministerium

Pjotr V. STEGNIJ: Einleitung des Symposiums

Einleitung des Symposiums trags erreichen, die seine souveränen Rechte im Schwarzen Meer eingeschränkt hatten. Der Kreis der internationalen Kontakte wurde immer größer. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs unterhielt unser Land diplomatische Beziehungen mit 47 Ländern und hatte über 200 Auslandsvertretungen. Nach der Oktoberrevolution wurde durch das Dekret des 2. Gesamtrussischen Sowjetkongresses vom 26. Oktober (8. November) das Volkskommissariat für aus­wärtige Angelegenheiten mit Lev D. Trockij an der Spitze gebildet. Im Mai 1918 löste ihn auf diesem Posten Georgij V. Cicerin ab. Trotz aller Schwierigkeiten konnte das Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten die Arbeit der au­ßenpolitischen Behörde des Landes wieder in Ordnung bringen, wobei viele Tradi­tionen der russischen Diplomatie nicht nur nicht verloren gingen, sondern höchst unerwartete Entwicklungen nahmen. Ein Beispiel dafür ist das auf der Konferenz von Genua von Cicerin verkündete Programm einer allgemeinen Abrüstung. For­schungen der letzten Jahre zeigen, dass seine grundlegenden Punkte fast wörtlich den von Nikolaus II. bewilligten Bericht des hervorragenden russischen Völker­rechtlers F. F. Martens wiederholen, der kurz vor der 1. Haager Konferenz 1899 vorbereitet worden war. In den schwierigen Jahren des Zweiten Weltkriegs setzte sich die sowjetische Diplomatie die Schaffung und Stärkung einer antifaschistischen Allianz sowie die Eröffnung einer zweiten Front in Europa zum Ziel. Sie beteiligte sich an der Ausar­beitung und Verwirklichung aller Lösungsvorschläge der Verbündeten und an der Wiederherstellung des Friedens und der Sicherheit in der Welt sofort nach dem Kriegsende. Sowjetische Diplomaten leisteten einen wesentlichen Beitrag bei der Gründung der Organisation der Vereinten Nationen. Im März 1946 wurden die Volkskommissariate in Ministerien umbenannt. Auf den Seiten von offiziellen Dokumenten und der Presse erschien zum ersten Mal nach 1917 wieder die Abbreviatur MID (= Ministerium für auswärtige Angelegen­heiten). Noch früher, bereits 1943, wurden die diplomatischen Ränge wieder einge­führt. Zur Zeit des Kalten Kriegs wurde die Logik des Handelns der sowjetischen Dip­lomatie durch die komplizierten Realia des entstandenen bipolaren Systems in den internationalen Beziehungen bestimmt, das den Weg vom Korea- und Vietnamkrieg über die Ungarn- und Kubakrise bis zu den Schlussakten des Rats für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die 1975 in Helsinki unterzeichnet wurden, ging. Als Positivum dieser Jahre sind der Abschluss einer Reihe von wichtigen Überein­kommen zur Begrenzung des Wettrüstens und die sowjetisch-amerikanische Ent­spannung Anfang der Siebzigerjahre zu nennen. Die Außenpolitik der Sowjetunion begünstigte die Dekolonialisierung von Ländern der Dritten Welt. Andererseits erlangten auch der Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 und der Afghanistan- Krieg einen festen Platz in der Nachkriegsgeschichte der internationalen Beziehun­gen. Nach dem Zerfall der UdSSR im Jahr 1991 begann die Herausbildung einer Au­ßenpolitik der Russischen Föderation als neuer demokratischer Staat. Am 14. März 15

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