Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49. (2001) - Quellen zur Militärgeschichte – 200 Jahre Kriegsarchiv
HILLBRAND, Erich: Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende
Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende Abgesehen von diesen wissenschaftlichen und politischen Problemen existierte - man könnte sagen als Nebenkriegsschauplatz - die Lösung der trivialen materiellen Agenden: Reparatur der Schäden, die während des Endkampfes 1945 durch die Erschütterungen des Geschützfeuers vom Flakturm her am Archivgebäude aufgetreten waren und nach Kriegsende durch den vergeblichen Versuch einer Sprengung des Flakturmes noch Vermehrung gefunden hatten. Eine 1950 erfolgte Kommissionierung der Tragfähigkeit der Decken im Mittel- und Nordteil bedingte einen sofortigen „Lastenausgleich“ - wie Winter formulierte - sowie eine Archivalienumlagerung von 540 Tonnen. Auch in den Folgejahren erforderten die baulichen Verhältnisse entsprechende Maßnahmen, die später ihre Fortsetzung in Verbesserungen der Infrastruktur für Archivalien und Personal fanden.46 Nach der 1955 erfolgten Unterzeichnung des Staatsvertrages, dem Abzug der Besatzungsmächte und der Aufstellung des Zweiten Österreichischen Bundesheeres trat der Gedanke an eine Einbindung des Archivs an die beim Bundeskanzleramt installierte militärische Zentralstelle auf. Diesem stellte sich jedoch das Bundeskanzleramt selbst erfolgreich entgegen.47 Im selben Jahr hatte Regele, nachdem Leo Santifaller Mitte Jänner 1955 seine Funktion als Generaldirektor des Österreichisches Staatsarchivs zurückgelegt hatte,4* für den Rest des Jahres dessen Geschäfte als provisorischer Leiter zu besorgen, zugleich aber auch die Agenden im Kriegsarchiv wahrzunehmen. 1956 übernahm Josef Sokoll49 50 die Leitung des Archivs, allerdings nur für einen Tag. Ihm folgte Wilhelm Kraus, erster Chef des Kriegsarchivs, der nicht aus dem aktiven Militärstand kam und überhaupt nicht gedient hatte.'" 46 Vgl. dazu die detaillierten Ausführungen bei Winter: Das Kriegsarchiv, ab S. 158. 47 Gemäß BGBl. Nr. 142 vom 22. Juni 1955, § 2 (13) hätte zu den militärischen Angelegenheiten neben dem Heeresmuseum auch das Kriegsarchiv gehört. Das mit BGBl. Nr. 134 vom 11. Juli 1956 publizierte Gesetz, das die Errichtung eines eigenen Landesverteidigungsministeriums betraf, wies diesem jedoch nur das Heeresmuseum zu, während das Kriegsarchiv im Wirkungskreis des Bundeskanzleramtes und damit weiterhin im Verband des Staatsarchivs verblieb. 48 Leo Santifaller: * Kastelruth (Südtirol), 24.7.1890; + Wien, 5.9.1974, erster Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs. Vgl. u.a. Bl aas, Richard: Leo Santifaller. In: MÖStA 27 (1974), S. 575 - 580; Blaas, Richard: ln memoriam Leo Santifaller. In: Scrinium 10 (1974) 21 - 24; L e e s c h : Deutsche Archivare, S. 514 f. 49 Josef Sokoll: * Trautenau (Böhmen, heute Tschechien), 12.1.1898, t Wien, 15.4.1966. Jäger- Sunstenau, Hanns: Josef Sokoll t. In: Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik 7 (1966), S. 123; Derselbe: Die Biographisch - Genealogische Sammlung des Archivs der Stadt Wien (Nachträge). In: Österreichisches Familienarchiv 3 (1969), S. VII - XVI, hier S. VIII; Leesch: Deutsche Archivare, S. 577. Sokolls genealogische Sammlung befindet sich im Wiener Stadt- und Landesarchiv. 50 Wilhelm Kraus: * Haibach (Oberösterreich), 27.10.1900, + Wien, 21.7.1978. Leesch: Deutsche Archivare, S. 336 f.; Winter, Otto Friedrich: In memoriam Wilhelm Kraus. In: MÖStA 32 (1979), S. 487 -492. 49