Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49. (2001) - Quellen zur Militärgeschichte – 200 Jahre Kriegsarchiv
HILLBRAND, Erich: Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende
Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausend wende Schon im Folgemonat musste er jedoch die Leitung an den oben genannten, 1938 als Oberst des Bundesheeres dispensierten Oskar Regele2' abtreten.24 Diesem allerdings verwehrten bald darauf die Alliierten den Zutritt zum Haus25, sodass der Dienstälteste des Archivs interimsweise die laufenden Geschäfte führen musste, - und das zu einer Zeit, in der ein mit allen Vollmachten ausgestatteter Chef besonders von Nöten gewesen wäre. Neben den kriegsbedingten Vorkommnissen sollte nämlich die vom Alliierten Rat für Österreich gebildete „Interalliierte Archivkommission“ die Bestände dezimieren. Trotz deren allgemeiner Bezeichnung durchsuchten die acht Kommissionsmitglieder lediglich das Kriegsarchiv. Nach einer im April 1946 erfolgten sechstägigen Besichtigung der Räumlichkeiten nahm die Kommission erst fast zwei Monate später ihre Arbeit auf,26 vor deren Beginn sie ihre Aufgabe präzisierte. Sie forderte demnach als Grundlage ihrer Durchsicht die Erstellung eines Verzeichnisses sämtlicher nach 1914 (!) zugewachsenen Archivalien, Druckschriften, Bücher und Karten, unter besonderer Berücksichtigung des nach 1938 erfolgten Zuganges.27 Zweck ihres Einsatzes bildete also nicht nur eine spezielle Suche nach mit NS-Gedankengut durchsetzten Schriften. In der Praxis 25 Oskar Regele: * Pettau (Steiermark, heute Slowenien), 7.7.1890, t Wien, 1.2.1969. Nach dem Ende der Habsburgermonarchie studierte der ehemalige k. u. k. Offizier politische Wissenschaften (1923 Dr. rer. pol.), absolvierte den Höheren Offizierskurs und fand im Rahmen des Österreichischen Bundesheeres 1933-1937 u.a. als Militárattaché tür Ungarn und Rumänien, zuletzt im Ministerium für Landesverteidigung Verwendung. Mit Wirkung von 15. Mai 1946 wurde er zum Leiter des Kriegsarchivs bestellt; KA, Reg . ZI. 21476/46 vom 10. Mai 1946. - Generaldirektor Leo Santifaller bemängelte in einem Schreiben an das Bundeskanzleramt dessen mangelnde historische und vor allem archivarische Ausbildung sowie die Nichteinholung eines Fachgutachtens seitens der Generaldirektion. Vgl. Österreichisches Staatsarchiv Wien, Generaldirektion [in Hinkunft: GenDion], ZI. 722/46. Der damalige Bundeskanzler sah jedoch in Regeles Studiengang und bisheriger Tätigkeit vollen Ersatz für die besonderen Anstellungserfordemisse im Archivdienst (1). AdR, BKA, ZI. 21533-1/47; KA, MS/KA, Nr. 168; A 11 m ay er-B ec k , Johann Christoph: Oskar Regele, ln: MÖStA 22 (1970), S. 532 - 540. 24 Regele war bezüglich seiner Wiederverwendung selbst im Bundeskanzleramt vorstellig geworden. AdR, BKA, Staatskanzlei, ZI. 4294-Pr. 45, ZI. 20759-1/46; KA, Reg, ZI. 722/46. Die Chance für ihn eröffnete sich, als der schon für die Definitivstellung vorgesehene Josef Mündl in Verdacht geriet, die Ostmarkmedaille erhalten zu haben. Dieser Vorwurf dürfte allerdings nicht zu Recht erhoben worden sein, denn die Angelegenheit wurde bald als „erledigt“ bezeichnet und Mündl versah auch bis zu seinem 60. Jahre Dienst. AdR, BKA, ZI. 20759-1/46; GenDion, ZI. 722/46. 25 Laut AdR, BKA, ZI. 21533-1/47 war Regele das Betreten des Kriegsarchivgebäudes 1947 noch immer nicht gestattet. 26 Sie erstreckte sich vom 24. Juni 1946 bis zum 10. Juli 1947. KA, Reg. ZI. 490/46; Reg. ZI. 23218- 1/47. 27 Diese geforderte übersichtliche Aufstellung erfaßte die Grundbuchbestände, die Qualifikationslisten 1914-1918, die Akten des Kriegspressequartiers, des Kriegsministeriums, des k. k. Landesverteidigungsministeriums nach 1914, der Militärkanzlei, der Marine 1914-1918, an die Deutsche Wehrmacht abgegebenes Material (Aufmarschpläne Österreichs gegen die Nachbarländer!) und der 1914-1945 erschienenen Karten (mit Berücksichtigung der Maßstäbe) und findet sich noch in der Registratur des Kriegsarchivs. KA, Reg. ZI. 579/46, 607/46, 702/46. 45