Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 49. (2001) - Quellen zur Militärgeschichte – 200 Jahre Kriegsarchiv

HILLBRAND, Erich: Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende

Das Kriegsarchiv von 1945 bis zur Jahrtausendwende lieferte Vorkommnisse: Am 1. Mai 1945 schreibt Oskar Regele an die Staatskanz­lei, er sei am 17. April 1945 vom „Zentralkomitee“ als kommissarischer Vertreter in das Österreichische Heeresarchiv delegiert worden, im September hingegen schreibt er an das Archiv, dass ihn am 17. April die Organisation „05“ wegen der Abwesenheit der leitenden Personen zum kommissarischen Leiter der drei militäri­schen Archive bestellt hätte, sich diese Ernennung aber mit der Einsetzung des neuen Direktors am 10. Mai (!) erledigt habe. Demgegenüber berichtet der damali­ge Leiter des Luftfahrtarchivs, Jaromir Diakow: Der nach dem Umbruch als kom­missarischer Leiter für alle militärischen Archive eingesetzte Regele - dieser war während seiner Zwangspensionierung als freiwilliger Mitarbeiter am Luftfahrtar­chiv tätig gewesen — sei ohne Angabe von Gründen nach einigen Tagen wieder abberufen worden. Regeles Darstellung widerspricht jedenfalls, dass sowohl Kiszling als auch Mündl zur fraglichen Zeit im Archiv anwesend waren und Dia­kow, in Klamm bei den ausgelagerten Beständen vom Vormarsch der Russen über­rascht, an der Rückkehr nach Wien nur kurzzeitig gehindert war.1’ Nicht einmal einen Monat nach dem offiziellen Kriegsende - am 4. Juni - dachte auch die unter der provisorischen Leitung von Zoltán Barcsay-Amant stehende Ungarische Archivdelegation an einen Neubeginn ihrer am 5. April 1945 einge­stellten Tätigkeit. Der Aufenthaltsort des späteren Leiters, Alexius Moravek, war im Juni noch unbekannt, wahrscheinlich weilte er in seiner Villa in der Steiermark. Übrigens blieben einige Angehörige der Delegation aus dieser Zeit nach ihrer Pen­sionierung in Österreich.13 14 Die erfolgte Zusage des Archivs hatte allerdings mehr theoretischen Charakter, da eine geregelte Forschungsarbeit auf Grund der Ausla­gerungen noch nicht möglich war. Dem Schreiben des Heeresarchivs vom 18. Mai 1945 an Barcsay-Amant kann man jedoch entnehmen, dass damals die Delegation die - zumindest vorbereitende - Tätigkeit schon aufgenommen hatte.15 Im Sommer setzten auch, trotz geringen Personalstandes16, sowohl die Rückfüh­rungen der aus fremden Archiven zugeteilten Akten als auch der ausgelagerten eigenen Bestände ein. Letztere erfolgten aus Retz, Stift Göttweig, Stift Dürnstein, Klamm-Schottwien, Stammersdorf und aus den verschiedenen Verlagerungsstellen in Wien (Bamabitenkloster, Postsparkasse, Josefsgasse-Lehrerhausverein und Ho­henstaufengasse). Für die nach Znaim-Klosterbruck sowie den liechtensteinischen Schlössern Eisgrub und Feldsberg verlagerten Bestände musste man um diplomati­raldirektor leitete, standen den einzelnen Archiven durch Jahre lediglich Leiter vor, bis man den Direktorstitel wieder einführte. 13 KA, MS/KA, Nr. 376; KA, Luftfahrtarchiv, ZI. 102/45 und 145/45; KA, Reg. ZI. 1839/45. 14 KA, Reg. ZI. 1532/45. 15 Ebenda,ZI. 1497/45. 16 Der ab 1938 wesentlich stärker gewesene Personalstand war nicht nur wegen allfälliger Zugehö­rigkeit zur NSDAP reduziert, er betrug auch wegen kriegsbedingter Abwesenheit einzelner Be­diensteter am 1. Juni 1945 nur 67 Personen. KA, Reg. ZI. 1595/45, Beilage 4. 43

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