Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48. (2000)
LILLA, Joachim: Die Vertretung Österreichs im Großdeutschen Reichstag
Volksabstimmung in Österreich am 10. April 1938 eine abweichende Regelung enthalten. Hieraus ergibt sich, dass am 10. April rechtlich drei verschiedene Abstimmungen durchgeführt wurden20: • im gesamten Reichsgebiet (einschließlich Österreich) eine Reichstagswahl; • im „Altreich“ eine Volksabstimmung nach deutschem Recht über den bereits rechtskräftigen „Anschluß“; • ausschließlich im Land Österreich eine Volksabstimmung nach bisher österreichischem Recht über den von der damaligen Bundesregierung am 13. März vollzogenen Anschluss an das Reich. Noch komplizierter wurde die Sache dadurch, dass nach österreichischem Recht die aktiven Soldaten zwar nicht an der Parlamentswahl, wohl aber an der Volksabstimmung teilnehmen durften21. Einzelheiten wurden - getrennt nach (alt)reichs- deutschen und österreichischen Stimmberechtigten - durch die Erste Verordnung zur Volksabstimmung und zur Wahl zum Großdeutschen Reichstag vom 22. März 193822 festgelegt, unter anderem, dass die Stimmzettel im ,Altreich“ aus weißem oder weißlichem Papier, die in Österreich aus grünem oder grünlichem Papier be- * 24 b) Verordnung über Reichstagswahlen und -abstimmungen (Reichsstimmordnung) vom 14. März 1924, RGBl. 1924 I, S. 173, geändert durch 1. Änderungs-VO vom 3. November 1924 (RGBl. 1924 I, S. 726), 2. Änderungs-VO vom 17. März 1925 (RGBl. 1925 1, S. 21), 3. Änderungs-VO vom 14. Mai 1926 (RGBl. 1926 I, S. 224), 4. Änderungs-VO vom 5. Dezember 1929 (RGBl. 1929 I, S. 208), 5. Änderungs-VO vom 24. Juli 1930 (RGBl. 1930 I, S. 353), 6. Änderungs-VO vom 19. Oktober 1933 (RGBl. 1933 I, S. 746), 7. Änderungs-VO vom 13. März 1936 (RGBl. 1936 1, S. 746). c) [Erstes] Gesetz über das Reichstagswahlrecht vom 7. März 1936, RGBl. 1936 1, S. 133, und Zweites Gesetz über das Reichstagswahlrecht vom 18. März 1938, RGBl. 1938 I, S. 258. Eine interessante Frage ist aber, inwieweit und welche Bestimmungen insbesondere des Zweiten Abschnitts „Der Reichstag“ (§§ 20 bis 40 bzw. 40a) der Weimarer Reichsverfassung zu Fragen der Reichstagswahl damals als noch geltendes Recht oder als „gegenstandslos“ betrachtet wurden. Hubert: S. 294-300 geht davon aus, dass dieses zumindest teilweise noch der Fall war. Diese Frage soll im weiteren Verlauf der Darstellung nicht unberücksichtigt bleiben. Als grundsätzlich weiterhin anwendbar können die Artikel 20-23, 25-29 29, 32, 34, 36-40a betrachtet werden. Als „gegenstandslos“ (wie beim Reichswahlgesetz) müssen folgende Artikel angesehen werden: 24 (Beginn der Sitzungsperiode im November), Art. 30 (Wahrheitsgetreue Berichterstattung), 31 (Bestellung eines Wahlprüfungsgerichts), 33 (Teilnahme der Reichsregierung und der Regierungen der Länder an den Sitzungen des Reichstages), 35 (Bestellung eines Auswärtigen und eines ständigen Ausschusses). Weitere Einzelheiten zum Zweiten Abschnitt der WRV nach dem Erkenntnisstand von Mitte Februar 1933 bei Anschütz, Gerhard: Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis. 14. Aufl. Berlin 1933 (ND Bad Homburg v. d. H. Berlin-Zürich 1968), S. 176-240. 20 Vgl. Hubert: S. 146. 21 Im Altreich durften Soldaten weder an Volksabstimmungen noch an Reichstagswahlen teilneh- men. 22 RGBl. 1938 1, S. 289. 233 Die Vertretungen im Grossdeutschen Reichstag