Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)
ENDERLE-BURCEL, Gertrude – MÄHNER, Peter – MENTZEL, Walter: Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl I. Ein Editionsprojekt der Österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien
Gertrude Enderle-Burcel, Peter Mahner und Walter Mentzel Ministerratsprotokolle der Ersten Republik und der Kabinettsratsprotokolle der Provisorischen Regierung Renner.’ In formaler Hinsicht waren einige Modifizierungen notwendig. Die Ministerratsprotokolle der Regierung Figl, vor allem die der Anfangsperiode, sind in keiner einheitlichen Form überliefert und geben den Ablauf der Ministerratssitzungen oft nur ungenau und zum Teil verwirrend wieder. Dazu trägt wesentlich das häufige Abändem der ursprünglich vorgesehenen Tagesordnung bei. Um eine möglichst benutzerfreundliche Form zu finden, entschloß sich das Projektteam zu einigen sinnvollen Standardisierungen. So wird etwa von den Bearbeitern für jede Ministerratssitzung eine Tagesordnung erstellt, die dem tatsächlichem Verlauf der Sitzung entspricht. Die editionstechnischen Richtlinien werden in der Einleitung zum ersten Band ausführlich dargestellt. Wie in den MRP der Ersten Republik, finden sich auch in den Protokollen der Zweiten Republik in den beiliegenden Stenogrammen wesentliche inhaltliche Ergänzungen. Einzelne Diskussionsbeiträge, nicht selten kontroversielle, scheinen ausschließlich in den Stenogrammen auf. Die Übertragung der Stenogramme ist somit unumgänglich, nicht zuletzt da heute nur mehr wenige Menschen die Gabelsberger Stenographie beherrschen. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Ministerratsprotokolle aufgrund österreichischen Aktenmaterials zu edieren und zu kommentieren. Die Aktenedition soll aber nicht nur grundlegendes Quellenmaterial, sondern auch einen Aktenschlüssel für vorhandene Aktenbestände liefern sowie einen raschen Überblick über den überlieferungsbedingt oft sehr unterschiedlichen Erschließungsgrad des Archivmaterials bieten. Neben den archivalischen Quellen des Österreichischen Staatsarchivs werden auch - so weit zugänglich gemacht - Aktenbestände der Landesarchive, von Instituten der Universitäten (z. B. die Nachlaßsammlung des Wiener Zeitgeschichteinstitutes), der parteinahen wissenschaftlichen Institutionen und in Einzelfallen Materialien aus ausländischen Archiven verwendet. Ergänzend ist die Einbeziehung der wissenschaftlichen Fachliteratur nötig. Institutioneile Rahmenbedingungen Regierung - Parlament - Alliierte Die Regierung Figl war zunächst noch weiter eine Konzentrationsregierung, in der die drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ vertreten waren. Zur „Großen Koalition“ zwischen ÖVP und SPÖ kam es erst durch das Ausscheiden des kommunistischen Ministers für Elektrifizierung und Energiewirtschaft, Karl Altmann im November * S. ' Vgl. beispielhaft: Protokolle des Ministerrates der Ersten Republik, hrsg. von der Österreichischen Gesellschaft für historische Quellenstudien. Abteilung IV (20. November 1924 bis 20. Oktober 1926), Bd. 2: Kabinett Dr. Rudolf Ramek 15. Mai 1925 bis 1. November 1925. Wien 1997, S. X1II-XX. Protokolle des Kabinettsrates der Provisorischen Regierung Karl Renner 1945. Bd. 1, S. XIV-XXI. 272