Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

STÖGMANN, Arthur: Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Ein Projektzwischenbericht

rechnung ergibt ca. 16 000 Fälle, die in den ersten 8 Bänden des „Wolf sehen Re­pertoriums“ erfaßt sind und die sich auf ca. 3 100 Kartons verteilen. Im Durch­schnitt umfaßt ein Aktenkarton fünf Fälle. Aufgeschlüsselt nach Prozeßarten und -gegenständen ergibt sich nach ca. 1800 in die Datenbank „RHR“ aufgenommenen Datensätzen folgendes Bild: 285 Appella­tionsprozesse, 241 Mandats- bzw. Reskriptsprozesse, 22 Zitationen. In 118 Fällen wurde eine Kommission verordnet, in weiteren 118 Fällen handelt es sich nicht um Prozesse, sondern um Gratialsachen (Ansuchen um Erteilung bzw. Bestätigung von Privilegien, etc.). Den häufigsten Prozeßgegenstand stellen Schuldforderungen dar (160). In 52 Fällen sind Juden an Prozessen beteiligt.47 Was die zeitliche Verteilung betrifft, liegt das 18. Jahrhundert mit 783 Fällen voran, gefolgt vom 17. Jahrhundert mit 597 Fällen, dem 16. Jahrhundert mit 176 Fällen, dem 15. Jahrhundert mit 38 und den Jahren 1800-1806 mit immerhin noch 30 Fällen.4* d) Möglichkeiten zur inhaltlichen Auswertung am Beispiel „Mandatsprozesse in Religions- und Schuldsachen“ Daß zwei Höchstgerichte nebeneinander bestanden, gehört zu den vielen Beson­derheiten der Reichsgeschichte, in der sich kaiserliche und reichsständische Inter­essen ständig überlagerten und damit auch immer wieder Ansatzpunkte zur Bildung konkurrierender Institutionen boten. Bereits durch die Goldene Bulle von 1356 war die königliche Gerichtsbarkeit und das Evokationsrecht des Königs erheblich ein­geschränkt worden. In den Kapiteln 8 und 9 der Goldenen Bulle wird den Kurfür­sten die „unbeschränkte Gerichtshoheit“ mit den Privilegien de non appellan­do und de non evocando übertragen.49 Mit der Errichtung des Reichskammer­gerichts im Jahr 1495 erreichte diese im Spätmittelalter eingeleitete Entwicklung einen Höhepunkt, indem die Reichsstände unmittelbaren Zugriff auf die höchste Gerichtsbarkeit erhielten. Die Bildung des Reichshofrats wurde vor diesem Hintergrund von vielen als „logische“ Antwort des Kaisers auf die Schmälerung seines Einflusses interpre­Die Erschließung von Prozeßakten des Reichshofrats 47 Diese Einzelauswertung basiert auf den knappen Angaben des Repertoriums. In vielen Fällen ist es nicht möglich, Prozeßart oder -gegenständ genauer festzustellen, da nur die Namen von Klä­gern und Beklagten eingetragen wurden. Daraus erklärt sich die verhältnismäßig geringe Zahl der nach Verfahrensarten aufgeschlüsselten Fälle im Verhältnis zur Gesamtzahl der aufgenommenen Fälle. 4* Detailinformationen können den innerhalb der Datenbank angelegten Abfragen und Berichten entnommen werden. 49 Laufs, Adolf: Goldene Bulle. In: HRG. Hrsg, von Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann. Bd. 1 (Berlin 1971), Sp. 1739-1746, hier Sp. 1742 f. 261

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