Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 47. (1999)

SIENELL, Stefan: Die kaiserlichen Beratungsgremien und die spanische Erbfolge¬frage (1699/1700)

Stefan Sienell die Verbreitung der entsprechenden Befehle. Die Sekretäre hatten hier kein Recht zur Aussage. Zweitens: Harrach, als Vorsitzender der Kommission, übergab das durch Cons- bruch aufgesetzte Votum dem Kaiser, der sich damit zurückzog und seine Gedan­ken eigenhändig neben dem Text notierte, wobei weder ein Rat noch ein Sekretär anwesend war. Das Votum mit der eigenhändigen Approbation des Kaisers ging zurück an den Obersthofmeister Harrach bzw. den Sekretär Consbruch, die oftmals große Mühe hatten, die Schrift Leopolds zu entziffern.29 * Die Frage nach den Präferenzen des Kaisers hinsichtlich der Art und Weise des Zustandekommens seiner Entschließung läßt sich mit einem Blick auf die Statistik lösen: Von den 35 bekannten Sitzungen der Kommission kann für neun nicht ge­sagt werden, auf welchem Wege es zum kaiserlichen Konklusum gekommen ist. Zehn Voten wurden in der Geheimen Konferenz entschieden und immerhin 16 allein durch den Kaiser mittels einer eigenhändigen Approbation (entspricht 45 %). Daraus wird deutlich, daß der Kaiser grundsätzlich ein großes Interesse an den Empfehlungen der spezialisierten ,Kommission für die spanische Erbfolgefrage' hatte und deutlich weniger an einer erneuten Behandlung des Themas durch ein größeres Kollegium, wobei davon auszugehen ist, daß dies einerseits als zeitauf­wendig und andererseits als wenig effektiv eingeschätzt wurde, da keine neuen Argumente zu erwarten waren. Eine besondere Stellung nimmt die Sitzung vom 19. November 1700 ein. Kurz zuvor war durch Sinzendorf aus Paris die Nachricht vom Tode Karls II. am 1. No­vember eingetroffen.'1' Über die neue Situation mußte so schnell wie möglich bera­ten werden, so daß man die ,Kommission für die spanische Erbfolgefrage1 über­ging und alles direkt in der Geheimen Konferenz beriet. Man überging zwar die ,Kommission' als Kollegium, nicht jedoch die einzelnen Mitglieder der Kommission, die allesamt auch Teilnehmer der Geheimen Konfe­renz waren. Ihre Meinung - und die der anderen Räte (Johann Quintin von Jörger 29 Die auf der Abbildung 1 (oben S. 121) angezeigte dritte Möglichkeit (eine erneute Sitzung der Kommission, zu deren Abschluß der Kaiser seine Entscheidung verkündete) kommt im Zusam­menhang mit der .Kommission für die spanische Erbfolgefrage' nicht vor. Ob ein Votum dem Kaiser referiert, oder vom ihm ,im Kabinett' bearbeitet wurde, bedeutete in erster Linie für Cons­bruch als zuständigen Sekretär eine nicht unwichtige Änderung, ln einem Brief informiert er Har­rach, daß er nach einer Kommissionssitzung ein Votum formuliert habe. Sofern aber Ihre Kay. Mt. solches nur lesen und in der conferenz nicht vortragen lassen wollen, so geruhen Ew. Excl. es mir g(nä)i//g(st) wissen zu lassen, dan ich es solchenfalß umbschreiben und mundiren muß, und es zimblich weitläufig fallen wird, wan die informationes, so man über einige puncten bey jüngster berathschlagung nicht gehabt, inserirt und darüber ein förmliches guetachten verfasst werden soll. AVA, FA Harrach, K. 225, Konv. ,Consbruch', s. f. (18. Februar, s. a.). Der Informationsfluß von Nachrichten aus Madrid lief über Paris deutlich schneller als auf dem direkten Weg. Die Bestätigung der Todesnachricht aus Madrid erreichte den Wiener Hof erst am 25. November. 132

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