Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden Kärntner Stände, sondern auch erneut Judensteuern einnahm. Allerdings muß davon ausgegangen werden, daß nur ein Teil der Juden in diese Orte zog, ein größerer Teil ließ sich in den habsburgischen Territorien an der oberen Adria - Görz, Triest und Istrien - nieder oder zog nach Ungarn, Böhmen oder Mähren51. Die neuen Judenge­meinden Niederösterreichs lagen zum Teil an wichtigen Handelsstraßen. Bei Mar­chegg befand sich ein Marchübergang in die Slowakei, Eisenstadt lag nahe einem wichtigen Übergang über das Leithagebirge, und über Güns führten Straßen von Südungarn in die österreichischen Länder52. Die neuangesiedelten Juden waren im Bevölkerungsbild der niederösterreichischen Ortschaften eine kleine Minderheit. Obwohl keine genauen Zahlen vorhanden sind, läßt sich dies aus einem Steueranschlag von 1509 ermitteln, in dem von den Juden aus Güns 80 Pfund und 4 Schillinge Urbarsteuer, von den Eisenstädter Juden 27 Pfund und von den Marchegger Juden überhaupt nur 16 Pfund Pfennige gefordert wurden. Im Gegensatz dazu zahlte ein Eisenstädter Jude Namens Hirschl53 - mit Sicherheit der vermögendste Jude jener Zeit in diesem Raum - alleine 48 Pfund, 2 Schillinge und 20 Pfennige Steuer54. Daraus kann geschlossen werden, daß nur wenige Juden, die kaum Vermögen hatten, wieder im Land lebten. Neben den oben genannten Orten, in denen - abgesehen von Güns und Eisenstadt, wo schon davor Juden lebten - ab 1497 wieder eine jüdische Bevölkerung existierte, war von 1515 bis 1518 auch Eggenburg jüdisch besiedelt, da dort die 1515 aus Lai­bach vertriebenen Juden angesiedelt wurden. Diese mußten allerdings bereits drei Jahre später Niederösterreich wieder verlassen. Weiteren Zuzug erfuhren die neuen jüdischen Wohnorte Niederösterreichs nach der Vertreibung der Juden aus Preßburg und Ödenburg 1526, da einzelne Vertriebene nach Deutschkreuz, Eisenstadt, Lak- kenbach, Mattersburg und Kobersdorf zogen. Aus den 40er Jahren ist weiters die Anwesenheit von Juden in Wölkersdorf bekannt55. 51 Vgl. zu diesen Aussagen Gold: Geschichte der Juden in Österreich (wie Anm. 4), S. 11, Vielmetti: Vom Beginn der Toleranz (wie Anm. 4), S. 62 und Lohrmann - Wadi - Wenninger: Überblick über die jüdischen Siedlungen (wie Anm. 5), S. 87. 52 Messing: Beiträge zur Geschichte der Juden (wie Anm. 3), S. 33. 53 Vgl. unten Abschnitt 3.3. 54 HKA Wien, Handschrift 1.118, fol. 37r-37v, Originalfolierung föl. XXVIII (1509 Juni 6 - Oktober 6). Es handelt sich hier um emphanng und ausgab der angeslagen urbarsteur ditz XVC. und V1III. jars auf all der ksl. Mt. urbarlewt, vogtlehen und kherchholden im lannd Österreich unnder der Enns. Darunter befindet sich auf fol. 37 der emphanng der urbarsteur von der jhudischait im lannd Österreich. Die Höhe der von Juden bezahlten Steuern jener Zeit ist bis auf diese Ausnahme nicht bekannt. Auch Informa­tionen über die Steuersätze sind rar. Einen Hinweis gibt ein Befehl vom 9. Oktober 1496 an die Hauptleu­te von Wiener Neustadt, Eisenstadt und Güns, den Hubmeister in Österreich, Hans Harrasser, bei Einhe­bung der Judensteuer nicht zu behindern. Die Höhe dieser Steuer betrug einen Gulden rheinisch auf jede jüdische Person, gleichgültig welchen Alters. Vgl. HKA Wien, Gedenkbuch 3a, fol. 386r-386v/pag. 781- 782. 1564 betrug der Steuersatz für einen erwachsenen Juden 12 Schillinge, für ein Kind 6 Schillinge. Vgl. HKA Wien, NÖ HA, Fasz. W 61/C 43, fol. 705r-707r (1564 Oktober 2) und fol. 68r-69v (1564 Oktober 31). 55 H ö d 1: Juden in Niederösterreich (wie Anm. 2), S. 74-85. 287

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