Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 45. (1997)

HÖDL, Sabine: Eine Suche nach jüdischen Zeugnissen in einer Zeit ohne Juden. Zur Geschichte der Juden in Niederösterreich von 1420 bis 1555

Sabine Hödl Auch Maximilian I. konnte nicht umhin, sich mit den Beschwerden der nieder­österreichischen Stände zu befassen, da sie jedoch bald eingesehen hatten, daß es zu keiner neuerlichen Ausweisung der inzwischen in einigen niederösterreichischen Orten wieder angesiedelten Juden* 28 kommen würde, versuchten sie, die Geschäfte der Juden zu unterbinden. 1508 erklärten sie, daß in den österreichischen Ländern im Grunde genommen keine Juden wohnhaft sein sollten, sie jedoch dieselben zu Mar­chegg und in anderen Orten dulden würden. Die Juden dieser Orte betrieben nun jedoch Geschäfte - sie liehen auf Brief und Siegel und auf Grund und Boden Geld - was gegen das Recht sei, da ihnen doch nur auf Schreinpfand zu leihen zustehe, das heißt, sie durften nur auf bewegliche Pfänder, nicht aber auf Grundstücke oder Schuldbriefe Darlehen geben. Darum baten die Landstände um eine gänzliche Ver­treibung der Juden aus dem Land. Auch ausländischen Juden sollten diese Geschäfte verboten werden29. Anfang März des folgenden Jahres erwiderte der Kaiser darauf, daß in Österreich, abgesehen von den Städten Güns, Eisenstadt, Marchegg und Zi­stersdorf, keine Juden seßhaft sein dürften und betonte, daß weder in- noch ausländi­schen Juden das Leihen auf Grund und Boden und auf Brief und Siegel erlaubt sei30. Trotz dieser Aussage wiederholten die Stände ihre Wünsche auf ein völliges Verbot solcher Geschäfte für Juden und betonten, daß sie überhaupt die Ausweisung der Juden bevorzugen würden. Daraufhin ließ Maximilian I. im Augsburger Libell vom 10. April 1510 unter § 21 das von ihm bereits 1509 ausgesprochene Verbot anfüh­ren31. Einer Vertreibung der Juden stimmte der Kaiser jedoch weiterhin nicht zu. Ferdinand I. (1521-1564) führte mit den Ständen wegen der Juden ebenso heftige Diskussionen. Bereits 1520 hatten die Landstände eine Beschwerde eingebracht und darin die Ausweisung der Juden verlangt32. Auf dem Generallandtag der österreichi­schen Erbländer (Dezember 1525 bis März 1526) überreichten die Stände Öster­reichs ob und unter der Enns, der Steiermark und von Kärnten, Krain, Görz, Tirol und Vorderösterreich gemeinsame Beschwerden, in denen in Artikel 35 verlangt wurde, daß Juden in sämtlichen Ländern zu wohnen verboten sein sollte, wie das in einigen Ländern ohnehin verordnet worden sei, da sie den Untertanen Schaden und Verderben brächten. Ferdinand lehnte es jedoch in seiner Antwort vom 23. Februar 1526 ab, Juden in keinem der Länder mehr wohnen zu lassen, sondern erklärte, er sem gewohnt hätten, keinen anderen der Aufenthalt in Wien gestattet sei. Nach Überprüfung der Belegstel­len, die Messing angibt, sind seine Schlüsse nicht zulässig. Am 23. März 1460 antwortete der Kaiser auf die Beschuldigung der Stände folgendermassen: (...) aber sein kay. gn. gelangt an wie man sein genad beschuldig sein genad halt hye hewser vol Juden und thue den genädig schub und fuedrung etc., wolt sein kay. gn. gern solher zieht vertragn sein und von den die es erdenckhn nach dem seinen kay. gn. daran zumal unguetlich beschiecht. Zitiert nach Chmel, Joseph: Materialien zur österreichischen Ge­schichte. Aus Archiven und Bibliotheken. Bd. 2. Wien 1838, S. 199. Dieselbe Stelle auch bei Scherer: Die Rechtsverhältnisse der Juden (wie Anm. 3), S. 427. 28 Vgl. unten Abschnitt 3. 1. 29 Scherer: Die Rechtsverhältnisse der Juden (wie Anm. 3), S. 444. 30 Ebenda, S. 444-445. 31 Ebenda, S. 445. 32 Moses: Geschichte der Juden (wie Anm. 1), S. 21. 280

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