Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 44. (1996)
FALLENBÜCHL, Zoltán: Anton Cothmann, Siedlungsarbeiter unter Kaiserin Maria Theresia
Zoltán Fallenbüchl Interessen ihrer eigenen Güter nicht hintansetzen wollten. Cothmann war kein ungarischer Edelmann, er war ein Fremder, wenn auch von guter Familie, und er war ein von seinem Gehalt lebender Beamter. Dennoch hatte er Verständnis für die Bedeutung der ungarischen ständischen Verfassung. An die Spitze der Ungarischen Königlichen Hofkammer wurde von Maria Theresia im Jahre 1748 der ungarische Edelmann Anton von Grassalkovich berufen9. Dieser hatte in drei Jahrzehnten eine großartige Karriere gemacht. Vom armen Studenten stieg er zum reichen Grundherren auf, vom fast unbekannten Advokaten zum königlichen Kronanwalt, vom Kleinadeligen wurde er Baron, Graf und später Präsident der Hofkammer bzw. Hüter der Ungarischen Heiligen Krone. Grassalkovich war der Typ des „Unternehmerbeamten“, des Funktionärs, welcher seine Anstellung als ein Unternehmen und den königlichen Dienst als ein Mittel für die eigene Karriere und Bereicherung betrachtete und auch demgemäß handelte. Dieser Typus war im Finanzbeamtentum damals in ganz Europa zu finden. Während aber in Westeuropa das Pachtsystem diesen Beamten zur Anhäufung von barem Geld verhalf, war der „Unternehmerbeamte“ in Ungarn mehr an der Häufung von Gutsbesitzen interessiert, obwohl es auch solche - wie z. B. die Gebrüder Neffezern - vom westlichen Typ gab10. Denselben Weg wie Grassalkovich beschritt in Ungarn auch der Ahne der Latifunden- besitzerfamilie Graf Festetich. Cothmann arbeitete nun unter der Leitung des Präsidenten Grassalkovich. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit fanden beide einen guten Weg der Zusammenarbeit. Im Frühjahr 1750 ernannte Maria Theresia Cothmann zum Ratsmitglicd der Ungarischen Hofkammer11. Diese Ernennung war eine Belohnung der Dienste der früheren Jahre mit all ihren Kontrollen, Reisen und Propositionen. Er war weder Repräsentations- noch Schreibtischbeamter, sondern versuchte alle Angelegenheiten an Ort und Stelle zu untersuchen, wobei ihm seine Jugend, er war erst 30 Jahre alt, und Beweglichkeit zugute kamen. Mit seinem Gespür für die Ursachen und Zusammenhänge sowie durch seine Bereitschaft zur fachlichen Weiterbildung überragte er die durchschnittlichen adeligen Ratsmitglieder bei weitem. Außerdem wollte er nicht nur Fachmann sein, sondern auch Dienstmann des Herrscherhauses. Als er Hofkammerrat wurde, war er schon verheiratet. Es ist typisch, daß seine Gattin, Maria Josepha Pachner von Eggendorf aus einer österreichischen Fami9 Anton von Grassalkovich wurde 1694 in Ürmény, Komitat Neutra, geboren. 1716 wurde er Kame- ralbeamter, und zwar Staatsanwalt im Bezirk Buda, Ofen, dann 1720 Kronanwalt, 1732 Baron, 1743 Graf, 1748 ungarischer Hofkammerpräsident und königlicher Kronhüter. Er blieb bis zum Tode am 30. November 1771 Präsident der Hofkammer und war auch von 1758 bis an sein Lebensende könglicher Oberststallmeister. Maria Theresia begünstigte ihn lange Zeit, besonders wegen seiner Verdienste im Österreichischen Erbfolgekrieg; seit 1760 aber wandte sie sich wegen seiner stark ständischen, absolutismusfeindlichen Haltung schrittweise von ihm ab. 10 Über die Gebrüder Neffczer vgl.Fallenbüchl: Mária Terézia magyar hivatalnokai, S. 36-38. 11 MOL Budapest, MKL, E 21 Benignae Resolutiones 1750 April 30. 112