Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag

KRAJEWSKA, Hanna: Das Hauptarchiv alter Akten in Warschau und seine österreichischen Akten

Behörden hatten sich für laufende Verwaltungszwecke auch Dokumente aus Wien herkommen lassen, die nach ihrer Verwendung nicht mehr nach Wien zurückgestellt, sondern der damaligen Archivabteilung für Neuakten übergeben worden sind; diese Akten sind leider während des Brandes des Archivs im November 1944 vernichtet worden. Anders ist die Geschichte der Akten, die infolge eines polnisch öster­reichischen Abkommens über die Archivrevindikation der Akten, das am 26. Oktober 1932 abgeschlossen worden ist, verlaufen. Diese Akten, denen drei Exemplare von Nummernverzeichnissen angeschlossen wa­ren, wurden bis 1940 im Hauptarchiv verwahrt, aber von den deutschen Besatzungsbehörden im März 1940 nach Wien gebracht. So wurden sie nicht von den tragischen Folgen des Warschauer Aufstandes im Herbst 1944 betroffen. Aus Wien sind diese Akten aus Sicherheitsgründen we­gen der Luftangriffe vor dem Ende des zweiten Welkriegs in die Tsche­choslowakei, in die nahe der österreichischen Grenze gelegenen Stadt Znojmo (Znaim) ausgelagert worden. Sie wurden dort in der Kaserne, in den Gebäuden des ehemaligen Dominikanerklosters, aufbewahrt19). Im Jahre 1950 hat die Generaldirektion der polnischen Staatsarchive von dort 18 Waggonladungen Akten revindiziert. Wegen der sehr über­stürzt ausgeführten Transporte wurde dabei auch eine Vielzahl von Ak­ten mitgenommen, die nicht Galizien, aber u.a. Siebenbürgen, Dalma­tien und Krain betreffen und nach Polen gebracht. Sogar Archivalien, die während der Zeit der Republik Österreich oder sogar nach dem An­schluß Österreichs an Hitlers Deutschland entstanden sind und Akten des K.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht befanden sich dabei. Au­ßerdem sind bei den mehrmaligen Transporten und den Verladungen etwa 20% der Archivalien verloren gegangen. Im Jahre 1959 kehrte in­folge eines Auslieferungsabkommens zwischen Polen und Österreich ein Teil dieser Archivalien wieder nach Wien zurück. Da es bei dieser Rückstellung auch zu Zerreissungen von Aktenreihen und sogar von Einzelakten gekommen ist, entstanden Lücken in den Beständen, weil Vorakten aus den Nachakten der folgende Jahre ausgeschieden und diese damit automatisch unvollständig gemacht worden sind. Heute stellen einen großen Teil der „österreichischen Akten“, die sich in der II. Abteilung befinden, Ministeriumsakten dar, die im öster­reichischen Kaiserreich als Ressortbehörden während der Reformen von 1848 eingeführt worden sind. Als sich dann 1867 der Staat in eine duali­Das Hauptarchiv alter Akten in Warschau und seine österreichischen Akten 19) J. Stojanowski, Archiv für Neuakten in Warschau, in: Straty archiwow i bibliotek w zakresie rekopismiennych zrodel historycznych (Verluste der Archive und Biblio­theken im Bereich von handschriftlichen Geschichtsquellen), Band II, Warschau 1956, S. 259. 63

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