Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43. (1993) - Festschrift für Rudolf Neck zum 65. Geburtstag
GÖBL, Michael: Vom Judenplatz zur Wallnerstraße. Über die Anfänge des Allgemeinen Verwaltungsarchivs
Michael Gobi chiwerwaltung übernommen, wobei jedoch das Schriftgut selbst bis zur Schaffung geeigneter Depots noch in der Registratur verblieb.17) Im Jahresbericht für das Jahr 1918 konnte der Direktor Kretschmayr schließlich bekanntgeben, daß alle bisher in Außendepots gelagerten Archivalien in das Staatsamtsgebäude des Innern übertragen und nunmehr alle Bestände des Allgemeinen Archivs im Hause vereint worden seien.18) Die mit dem Ende des Ersten Weltkriegs zu Ende gegangene Österreichisch-Ungarischen Monarchie bedeutete für das Archivwesen zugleich aber auch die Chance für einen neuen Anfang. Vor allem drei Probleme beherrschten die Nachkriegszeit, erstens die rasch einsetzenden Forderungen nach Aktenabtretungen durch die Nachfolgestaaten, zweitens die Übernahme von noch nicht archivalisch organisiertem Verwaltungsschriftgut und drittens die Neustrukturierung der ehemaligen k.k. Archive. So wie die Archivalienabtretungen durch die Persönlichkeit Oswald Redlichs geprägt wurden, ist die Neuorganisierung und Zusammenziehung der alten Behördenarchive mit dem Namen Heinrich Kretschmayrs verbunden. Heinrich Kretschmayr nahm sein schon 1913 vor der Kommission für Verwaltungsreform vertretenes Projekt eines gemeinsamen Archivs der österreichischen Zentralstellen wieder auf. Als Kristallisationskern sah er das beim Innenministerium bestehende Allgemeine Archiv an, das er Zug um Zug mit den Altregistraturen der ehemaligen k.k. Behörden aufzufüllen gedachte.19) In seinem Vorhaben bestärkt wurde er, als das Staatsamt für Justiz seine älteren Bestände, die in zwei Erdgeschoßräumen seines Amtsgebäudes in Wien I., Schillerplatz 4, gelagert waren, in die Verwaltung des Allgemeinen Archivs zu übergeben beabsichtigte. Es handelte sich dabei im wesentlichen um die vom Obersten Gerichtshof übernommenen Akten der Gesetzgebungskommissionen und der Obersten Justizstelle (1749-1848).20) Obwohl die nominelle Übergabe des Justizarchivs schon am 7. August 1919 erfolgt war, mußten die Archivalien aus Raummangel noch an ihrem bisherigen Lagerungsort verbleiben. Es dauerte noch bis Ende 1920 bis alle Archivalien in provisorisch adaptierte Räume in das „Haupthaus“ am Judenplatz übernommen werden konnten.21) Bedingt durch diese inhaltliche Erweiterung änderte das Archiv 1921 seinen 17) AYA, Min.d.Innern, Präs., 2, ZI. 995/1917. 18) AdR, Staatsamt des Innern, 2, ZI. 5320/1919. 19) Walter Goldinger, Geschichte des österreichischen Archivwesens. Wien 1957, S. 44-46. 20) AdR, StA d. Innern, 32, ZI. 13.877/1919 und ZI. 376.691/1919. 21) AVA, Adelsarchiv, Archivakten, ZI. 181.780/1920. 26